Gesundheit beim Musizieren

Die Musiker*innen-Gesundheit ist ein wichtiger Faktor, um auch über einen langen Zeitraum hinweg schmerzfrei und voll Freude Musik machen zu können. Sie finden hier Impulse und Beispielübungen zu folgenden Bereichen: Körper, Atem, Stimme, Geist und Auftrittsbewältigung.

Inhalt

Körper

Körperlich gesundes Musizieren ist extrem wichtig. Welche Techniken helfen dem Körperbewusstsein? Wie kann Muskulatur gestärkt und regeneriert werden? Wie kann Kraft gespart und das Gehör geschützt werden?

Musiker*innen benutzen ihren Körper oft einseitig und nicht gerade ergonomisch. Langes Stehen, Notenhalten und Verdrehen sind normal und Verspannungen daher keine Seltenheit.

Schulen Sie das Körperbewusstsein! Das wirkt sowohl vorbeugend als es auch Spannungen löst. Alexander-Technik wie auch Feldenkrais arbeiten damit, die Körperhaltung und Bewegungen bewusst wahrzunehmen, unnötige Anspannungen zu erkennen und loszulassen. Eine entspannte Haltung wie auch Bewegungsweise wird neu eingeübt und ungesunde Angewohnheiten damit verlernt. Hier sollten Sie zunächst einen Workshop von professionellen Trainer*innen mitmachen, nach dem Sie bestimmte Übungen fest in den Ensemblealltag integrieren können.

Wärmen Sie sich auf! Egal ob Streichinstrument, Blasinstrument oder Stimme: Wärmen Sie nicht nur ihre Feinmotorik auf, sondern den ganzen Körper. Aktivieren Sie die Muskeln am ganzen Körper, achten Sie auf ihre Haltung und gehen Sie erst dann über zum instrumental- bzw. gesangsspezifischen Aufwärmen.

Sorgen Sie für den Chor! Finden Sie eine Lösung, in der die Mitglieder mit freiem Körper und mit Freude singen können. Versuchen Sie, auf Lücke zu stehen und bei Platzmangel auf Blackfolder zu verzichten. Planen Sie Steh-Pausen für Proben und Konzerte ein, insbesondere wenn ältere Menschen, Kinder oder junge Frauen mitsingen: Der Chor ist sehr statisch und Verspannungen sowie Kreislaufprobleme nach einigen Proben an der Tagesordnung. Sparen Sie dem Chor Kraft und halten Sie die Anspielproben möglichst kurz.

Ein Muskeltraining kann beim Musizieren viel helfen. Neben einem Training der speziellen Muskulatur (z.B. Atemmuskulatur) kann eine Stabilisierung des gesamten Körpers hilfreich sein. Beine und Rumpf helfen beim aktiven Stand und ein trainierter Rücken unterstützt den Atemstrom bzw. Stimmklang. Instrumentalist*innen mit einseitiger Haltung kann es helfen, spezielle Muskelgruppen zu trainieren, um so Verspannung zu lösen und die Einseitigkeit der Muskulatur zu reduzieren. Dirigent*innen sollten den Rücken und Schultergürtel trainieren, etwa mit einem Physioband, das auf verschiedenen Höhen waagerecht vor den Körper gehalten und dann nach außen gezogen wird.

Ursache für verspannte Muskeln sind oft verklebte Faszien. Diese können mit Faszienbällen oder -rollen wieder gelöst und auch die Muskeln dadurch stärker durchblutet und besser regeneriert werden. Hier gibt es kleine Bälle, die besonders für den Nacken oder die Unterarme geeignet sind, aber auch für die Fußsohle bei langem Stehen. Hantelförmige Rollen sind für Rücken und Schulterblatt da und geeignet für alle, die lange stehen, schwere Noten oder Instrumente halten, dirigieren, sich beim Musizieren vorneüberbeugen oder verdrehen.

Schützen Sie Ihr Gehör! Im Orchester und auch im Chor sind über 100-120db keine Seltenheit (die Schmerzgrenze ist etwa bei 120-130db). Nutzen Sie Schallschutzschirme oder speziell angefertigten Gehörschutz mit Filtern. Falls all das fehlt, nutzen Sie Ohrenstöpsel aus Wachs oder Schaumstoff in Probenzeiten der lauten Kolleg*innen oder im Konzert, wenn Sie längere Pausen haben. Achten Sie als Leitung auf Regenerationspausen am Tag und innerhalb der Probenplanung. Auch ein höheres Sitzen der Blasinstrumentalist*innen kann die Kolleg*innen vor ihnen etwas erleichtern. Lassen Sie bestenfalls ihren Probenraum und die Aufstellung einmal musikermedizinisch überprüfen.

Impulsfragen

  • Wie kann Körperbewusstsein geübt werden?
  • Wie finde ich eine gesunde und entspannte Haltung – im Alltag sowie beim Musizieren?
  • Wärmen wir den Körper auf?
  • Wie kann der Chor in gesunder Haltung singen?
  • Wie kann beim Chor Kraftverschleiß und schlechte Stimmung vermieden werden?
  • Wie hilft Muskeltraining beim Musizieren?
  • Wie können Faszienrollen für gesundes Musizieren genutzt werden?
  • Schützen wir unser Gehör?
  • Welche Möglichkeiten des Gehörschutzes können wir testen?
  • Achten wir auf Regenerationspausen?

Atem

Welche Atem-Bewegungsschulen gibt es? Wie kann die Atmung trainiert und der Atemdruck richtig ausbalanciert werden? Welche weiteren Techniken gibt es hier?

Die Arbeit mit dem Atem lohnt sich nicht nur für Sänger*innen und Blasinstrumente – auch alle anderen Instrumentalist*innen können von einem bewussten und freien Atmen im Alltag wie beim Musizieren profitieren.

Aktives Atmen bei körperlicher Anstrengung hilft dabei, ein Gefühl dafür zu entwickeln, wann die Atmung festgehalten wird und wie sich tiefe Atmung anfühlen kann. Hier kann besonders gut mit Yoga gearbeitet werden: Die Übungen aktivieren und dehnen nicht nur den gesamten Körper, sondern werden von einer gezielten Atmungschoreografie begleitet. Hier kann das tiefe Atmen unter körperlicher Halte-Anspannung sowie bei fließenden Bewegungen geübt werden. Reine Atemübungen im Sitzen oder Liegen heißen Pranayamas. Sie sollen dabei helfen, den Körper und Geist in Gleichgewicht zu bringen. Eine einfache Übung gegen Lampenfieber, Nervosität oder Stress ist die „4-7-8 Atemübung“. In einer bequemen Position atmet man vier Sekunden ein, hält sieben Sekunden die Luft an und atmet acht Sekunden aus. Die Zunge ist dabei locker und berührt die unteren Schneidezähne oder den Gaumen an den Vorderzähnen.

Qigong ist eine Technik, die auf chinesischer Kampfkunst basiert und der Gesundheit von Körper und Geist dient. Der Fluss des »Qi« im Körper soll dabei positiv beeinflusst werden: »Qi« ist nicht nur Lebensenergie, sondern auch Atemfluss. Die Übungen vereinen daher eine ruhige Geisteshaltung und langsam fließende, koordinierte Bewegungen mit tiefem rhythmischem Atmen. Durch diese Verbindung können die Übungen besonders beim Einsingen/Aufwärmen genutzt werden, aber auch durch eine langfristige Praxis das Bewusstsein für Körper, Geist und Atmung sowie das Wohlbefinden stärken.

Zusätzlich gibt es zahlreiche Atemschulen aus der Musizierpraxis, in denen der Atem gezielt vertieft und der Atemapparat entspannt und trainiert wird (z.B. von Robert Kreutzer). Auch Körperschulen wie Alexander Technik helfen dabei, über eine bewusste Haltung die Atmung und den Hals zu entspannen.

Um die Lungenkapazität und Atemmuskulatur zu trainieren, wurden zahlreiche Hilfsmittel entwickelt, etwa Atembeutel oder Atemtrainer mit Bällen. Atemtraining ist jedoch auch mit Alltagsgegenständen möglich, beispielsweise mit einem Luftballon: Der Ballon wird mit langen Atemzügen mehrmals aufgeblasen. Diese Übung kann erweitert werden, indem man die Wangen immer wieder aufbläst und zusammendrückt, während die Lippen den Luftballon zuhalten. Ebenfalls lässt sich der Luftballon über die Mundstücke verschiedener Instrumente ziehen und aufblasen. Hilfreich ist auch ein Blatt A4-Papier: Das Blatt wird so lange wie möglich glatt an eine Wand gepustet oder flach auf dem Boden liegend mit dem Atemstrom angestoßen. Geübte können jeweils den Abstand vergrößern.

Auch gibt es Systeme, mit denen ein gleichmäßiger Atemdruck geübt wird, was besonders für Sänger*innen hilfreich ist. Ein Beispiel ist LaxVox: Hier wird in einen Schlauch gesungen, der in einem Wasserbehälter steht, und dadurch Wasser verdrängt. Durch die Vibrationen sowie die gleichmäßige Benutzung der Stimme wird diese außerdem entspannt und regeneriert – also auch empfehlenswert für Bläser*innen, die gerne ihren Hals verengen.

Des Weiteren lohnt es sich für Blasinstrumentalist*innen, die eigene Atemtechnik weiterzuentwickeln. Ein Beispiel hierfür wäre die Zirkularatmung. Dabei wird ein Luftvorrat im Mund angelegt, der in sein Mundstück gegeben wird, während man gleichzeitig durch die Nase einatmet. Dadurch können Töne länger ausgehalten und längere Phrasen ohne Unterbrechung gespielt werden. Die Atemtechnik kann innerhalb einer kurzen Zeit mit beispielsweise einem Strohhalm und einem Glas Wasser erlernt werden. Auch wenn die Zirkularatmung in der Musikpraxis selten angewandt wird, hat sie einen positiven Einfluss auf die Zwerchfellatmung und die Ansatzstabilität.

Impulsfragen

  • Wie kann tiefer Atem wahrgenommen und geübt werden?
  • Wie fließt der Atem unter körperlicher Anstrengung?
  • Wie kann aktiver, ruhiger Atem geübt werden?
  • Wo gibt es Hilfe zu Atemtechnik?
  • Welche Hilfsmittel für Atemschulung könnten ich nutzen?
  • Welche Atemtechniken gibt es noch?

Stimme

Was sollte beim Aufwärmen und im Alltag beachtet werden? Wie kann beim Musizieren und in Erkältungszeiten auf die eigene Stimmgesundheit geachtet werden? Wie kann nach der Corona-Pause wieder angefangen werden?

Um die Stimme gesund zu halten, ist ein achtsamer und geübter Umgang beim Musizieren wie im Alltag nötig.

Bevor beim Aufwärmen Räume, Stütze und Stimmsitz erkundet werden, sollte der Körper ausführlich aktiviert und die Atmung vertieft werden. Psychische Belastungen lassen das Zwerchfell verkrampfen und können den Hals »zuschnüren«. Daher sollte das Ankommen im Moment des Singens eine große Rolle spielen und jegliche Zustände erst einmal wertfrei angenommen werden. Muskelaktivierung und Atemvertiefung helfen dabei, Stress loszulassen und ein körperlich freieres Singen möglich zu machen.

Beim Musizieren gilt es auf sich zu achten: Fühle ich mich verantwortlich, die Stimmgruppe zu tragen? Will ich laut singen? Spüren Sie nach, unter welcher Spannung ihre Stimme am freiesten und vollsten klingt – das ist ihr Forte! Mehr klingt meist von außen eher gedrückt und nutzt Ihre Stimme sehr schnell ab.

Achten Sie in Probenzeiten auf Regeneration: Vielleicht unterhalten Sie sich in der Pause lieber vor der Tür? In Endproben brauchen Sie viel Kraft: Schlafen Sie viel, ruhen Sie ihren Körper aus, machen Sie leichten Sport, trinken Sie viel und schweigen Sie viel. Hilfreich ist auch, diese Tage so gut wie möglich frei von zusätzlichen Alltagsaufgaben zu halten.

Die Stimme ist im Alltag immer dabei, daher beginnt Stimmpflege nicht erst beim Singen.

Achten Sie beim Sprechen auf einen aktiven Körper: Hier helfen eine aufrechte Sitzhaltung oder Stehen sowie ein Aufwärmen und Einsingen vor Vorträgen oder Besprechungen. An solchen Tagen viel zu trinken und Bonbons zu lutschen hilft nur ein wenig – besser ist die Prävention.

Auch Telefonieren oder digitale Konferenzen können die Stimme sehr belasten: Die eigene Lautstärke wird immer größer und die Stimme immer gepresster. Hier hilft es, regelmäßig bewusst zu überprüfen, ob die eigene Stimme gerade entspannt benutzt wird und frei klingt. Wie wäre es mit einem Klebezettel am Computer zur Erinnerung?

Auch Ihre Sprechlage und Sprachgestaltung können der Stimme im Alltag helfen. Sprechen Sie mal mit vollem Mund oder zwei Fingern zwischen den Zähnen: Hier haben Sie ihre entspannte Lage. Sie können außerdem immer mal wieder auf Ihre Phrasen und Spannungsbögen achten – so wird der Körper aktiviert und sie führen Ihre Stimme gleichmäßiger.

Der Körper ist Ihr Instrument – und der Geist macht die Musik. Achten Sie auf eine regelmäßige Entspannung von beidem. Dabei helfen auch körperlich-geistige Techniken wie Qigong, Yoga, Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung, Meditationen u.v.m.

Um Erkältungen vorzubeugen können Sie Tür- oder Haltegriffe meiden, genauso wie Menschen mit offensichtlichen Symptomen. Händewaschen und Desinfektionsgel helfen bei der Prävention. Auch die Pflege der Schleimhäute ist wichtig: Neben ausreichendem Trinken eigenen sich hier Salzwasser-Nasensprays insbesondere für klimatisierte oder beheizte Räume wie Flugzeuge oder Züge. Nasse Handtücher auf der Heizung sorgen im Winter für eine höhere Luftfeuchtigkeit und fangen Heizungsstaub ab. Auch Nasenduschen haben sich bewährt (auch bei Heuschnupfen): Hier wird die Schleimhaut nicht nur befeuchtet, sondern auch gespült.

Im Chor kann mit Stücken begonnen werden, die einen kleinen Ambitus und wenige Sprünge haben. Hier lohnt es sich auch, Einfaches und Altbekanntes aufzuwärmen und das Muskelgedächtnis zu nutzen. Besonders bei Proben draußen wird die Akustik den Sänger*innen stimmtechnisch nicht helfen. Richten Sie das Repertoire entsprechend aus, suchen Sie einen akustisch reflektierenden Ort wie einen Innenhof oder laden Sie Profis zur Unterstützung ein. Um als Leitung ihre eigene Stimme zu schonen, können Sie draußen ein Mikrofon und eine Box nutzen.

Bei Erkältung gilt: Kurieren Sie sich aus und fangen Sie nicht aus Pflichtbewusstsein oder Sehnsucht zu früh oder zu belastend wieder an. Auch wer mit einer Erkältung schweigend in einer Probe sitzt, arbeitet muskulär mit, was den Heilungsprozess nicht unbedingt unterstützt – und steckt darüber hinaus vielleicht noch andere Sänger*innen an.

Nach der langen Corona-Pause muss die Stimme erst wieder aufgebaut werden – sowohl das Körperbewusstsein als auch die Muskulatur. Um dies zu erleichtern, sollte ausführlich mit Körper- und Aufwärm-Übungen gestartet werden. Dabei gilt: Lieber oft und kurz als einmal lang. Integrieren Sie kleine Stimm- und Körperübungen in ihren Alltag – beim Kochen ein paar Glissandi? Beim Duschen ein paar Töne? Eine Atemübung beim Händewaschen? Auch hier helfen Klebezettel.

Impulsfragen

  • Wie sollte vor dem Singen aufgewärmt werden?
  • Wie kann ich beim Singen und in Probenphasen auf die Stimme achten?
  • Wie kann gesundes Sprechen im Alltag helfen?
  • Wie trägt die Entspannung von Körper und Geist zum Singen bei?
  • Wie kann ich Erkältungen vorbeugen und die Schleimhaut pflegen?
  • Kann ich mit Erkältung in der Probe sitzen?
  • Wie nach der Corona-Pause wieder mit dem Singen begonnen werden?
  • Wie können wir draußen das Singen erleichtern?

Geist

Den Geist zu schulen, kann Individuen und die Gruppe stärken sowie Nervosität bewältigen. Welche Formen und Schulen bieten sich für die Ensemblearbeit an? Wie führt man sie als Leitung durch?

Den Geist zu schulen, kann Individuen stärken und für die Mitmusiker*innen öffnen. Auch ihr Musizieren kann dadurch neue Dimensionen gewinnen und Auftrittsangst bewältigt werden. In der gemeinsamen Erfahrung dieser Methoden wird gleichermaßen auch die Gruppendynamik und der Umgang miteinander positiv beeinflusst: Das Ensemble wächst zusammen.

Autogenes Training kann dabei helfen, zur Ruhe zu kommen und den Körper zu entspannen. Die Teilnehmenden können dabei liegen oder entspannt sitzen und, sofern sie sich damit wohlfühlen, die Augen schließen. In den Übungen wird beispielsweise der Körper gescannt und jedes Körperteil nacheinander bewusst wahrgenommen. Die Körperteile werden dabei entweder aktiv als schwer vorgestellt oder mit Wärme oder Licht angefüllt. Durch die gerichtete Aufmerksamkeit auf den Körper beruhigen sich die Gedanken und durch die Schwere oder Wärme entspannt sich der Körper.

Traumreisen eignen sich besonders für stressige Phase wie eine Endprobenwoche oder Weihnachtszeit. Nehmen Sie sich die Zeit, füreinander zu sorgen und gemeinsam zur Ruhe zu kommen. Die Teilnehmenden liegen dafür am besten auf dem Rücken und schließen die Augen, sofern sie sich damit wohlfühlen. Die Traumreise kann zu den verschiedensten Orten führen: In die Szenerie eines Stücks (z.B. Mittagsstunde im ländlichen Spanien), in die Natur aber auch an persönliche Orte (z.B. den eignen Lieblingsplatz). Was hört man dort? Spürt man die Luft über die Haut streichen? Ist es warm? Riecht es nach Regen, nach Erde, nach Pinien, nach Essen? Scheint mir die Sonne auf den Bauch? Falls passend, können Sie die Reise mit Geräuschen, Klängen oder auch Gerüchen unterlegen.

Meditationen können ähnlich wie Autogenes Training dazu dienen, über den Fokus auf den Körper den Geist zur Ruhe zu bringen. Dabei sitzen die Teilnehmenden in einer entspannten, aber aktiven Position, etwa aufrecht auf einem Stuhl, ohne sich anzulehnen und schließen die Augen, falls angenehm. In der Grundübung richtet man seine Aufmerksamkeit auf den Atemstrom in der Nase. Schweifen die Gedanken davon ab und stellt man dies fest, wird die Aufmerksamkeit wieder sanft zurück auf den Atem gelenkt. Viele Techniken gehen jedoch noch weit darüber hinaus – in der Arbeit mit einem Ensemble kann eine Meditation der liebenden Güte besonders verbindend wirken: Hier wird das Wohlwollen und die Liebe, die man für bestimmte nahe Personen empfindet, wachgerufen und anschließend auf sich selbst, seine Sitznachbar*innen sowie alle Ensemblemitglieder und mögliches Publikum ausgedehnt.

Geführte Beispiele für alle Techniken finden Sie vielfältig auf YouTube. Falls Sie als Leitung die Übungen anleiten werden, achten Sie besonders auf eine ruhige und liebevolle Stimmgebung sowie klare und wohlwollende Formulierungen: »Versuche« ist besser als »Du musst/Du sollst«. Vermitteln Sie außerdem, dass es in Ordnung ist, bestimmte Übungen vielleicht nicht sofort umsetzen zu können – jede*r kann das annehmen, womit er*sie gerade etwas anfangen kann, und ansonsten darf einfach der Moment der allgemeinen Ruhe genossen werden.

Auch Körper und Geist verbindende Techniken sind hier interessant: Etwa Yoga, Qigong oder TaKeTiNa. Bei TaKeTiNa werden über rhythmische Bewegungen und Silben in der Gruppe Rhythmusgefühl und Koordination entwickelt, die Technik ist aber auch ein gruppentherapeutischer Prozess: Verhaltensweisen wie Selbstbewertung werden umgelernt, durch den entstehenden Flow findet eine intensive Gruppen- wie Körpererfahrung statt sowie Selbstheilungsprozesse werden nachweislich angeregt. Ein Workshop mit TaKeTiNa-Profis ist für den Einstieg empfehlenswert.

Impulsfragen

  • In welchen Momenten könnten wir besonders ein bewusstes zur-Ruhe-Kommen brauchen?
  • Ist unser Ensemble offen, sich auf geführte Übungen für den Geist einzulassen?
  • In welcher Haltung könnten wir die Übungen durchführen, so dass sich alle wohlfühlen?
  • Möchten wir den Körper aktiv entspannen und so den Geist zur Ruhe kommen lassen?
  • Möchten wir in die Szenerie eines Stücks eintauchen?
  • Möchten wir uns an einen schönen Ort und in eine schöne Erfahrung träumen?
  • Was fühlen, hören, sehen, riechen wir dort?
  • Möchten wir gemeinsam Wohlwollen füreinander üben?
  • Mit welcher Stimmgebung und welchen Formulierungen werden diese Übungen angeleitet? Wie soll die Stimme wirken?
  • Wie kann die rhythmische Regelmäßigkeit in einer Gruppe auf den Geist wirken? Wie das Herausfallen aus Rhythmen? Wie wirkt sich diese Erfahrung auf die Gruppe aus?

Auftrittsbewältigung

Es gibt nur wenige Musiker*innen, die das Gefühl des Lampenfiebers oder der Auftrittsangst nicht kennen. Die meisten jedoch haben dies in ihrer künstlerischen Laufbahn erfahren: ein trockener Mund der Sängerin, die verkrampfte Kiefermuskulatur des Saxophonisten, die zitternde Hand des Dirigenten oder einer Klavierspielerin – es gibt viele Auswirkungen, die sich zum Teil sehr stark äußern und einen Auftritt sogar unmöglich machen können. Und jede*r einzelne Musiker*in könnte darauf natürlich gut darauf verzichten. 

Was passiert im Körper, wenn das Lampenfieber sich bemerkbar macht? Zur Beruhigung: Die geistige und körperliche Anspannung angesichts des bevorstehenden Auftritts ist zunächst einmal eine natürliche Reaktion, die sich im Laufe der menschlichen Evolution entwickelt hat. Sie hatte den Sinn, in einer gefährlichen Situation eine Fluchtreaktion zu erzeugen und dadurch das Überleben zu sichern. Auch kurz vor einem Auftritt kann ein Mensch diese körperlichen Symptome entwickeln. Schweißausbrüche, Zittern, Herzklopfen und Erröten, aber auch Konzentrationsstörungen, Blockaden und echte Angst können auftreten und treffen in ihren Auswirkungen bestimmte Gruppen von Künstler*innen empfindlicher als andere.

Für den Umgang mit Lampenfieber gibt es einige Tricks und Übungen, die helfen können, wieder unbeschwert auftreten und musizieren zu können. Die beste Voraussetzung für eine gute und sichere Performance ist die konsequente Vorbereitung. Dazu gehört neben dem regelmäßigen Üben am Instrument oder mit der Stimme auch, das Programm so oft wie möglich vor Publikum vorzutragen. So kann man eventuelle Schwachstellen aufspüren, Probleme lösen und sich an die Auftrittssituation gewöhnen.  Denn wer häufig ein bestimmtes Stück vorspielt oder den Auftritt probt, kann seine Angst davor nach und nach immer besser bewältigen – man übt also im Prinzip den “Auftritt durch den Auftritt” und verschafft sich mit jeder Wiederholung weitere Sicherheit.

Vielen Musiker*innen hilft mentales Training. Dabei stellt man sich vor, wie man in einer bestimmten Situation denken, handeln und fühlen würde. Man visualisiert ein bestimmtes Ziel – also die Prüfung, das Vorspiel oder das Konzert – und sieht vor sich, wie schwierige Passagen gelingen, jeder Ton genau getroffen wird oder eine Melodie besonders schön klingt. Vielen Instrumentalist*innen hilft das sogenannte ideomotorische Training, bei dem man sich genau vorstellt, wie eine Bewegung abläuft und wie sie ausgeführt wird. Sänger*innen wenden diese Technik an, indem sie ein Stück körperlich-technisch durchgehen.  

In diesem Zusammenhang nimmt das Auswendigspielen oder -singen noch einmal eine besondere Rolle ein. Hier hilft es, Text- und Stückabläufe häufig durchzugehen und sich bestimmte Stellen als “Anker” zu merken, z.B. den Anfang einer Strophe, den Beginn eines Satzes oder eine bestimmte Harmonieabfolge.  

Direkt vor dem Auftritt helfen Entspannungsübungen, die sich auch sehr gut in einer Gruppe durchführen lassen. Eine der effektivsten und schnellsten Entspannungsübungen ist die tiefe Bauchatmung: man setzt sich aufrecht hin, legt eine Hand auf den Bauch, schließt die Augen und atmet auf einen Atemzug fünf Sekunden lang ein und möglichst lang wieder aus. Schon nach wenigen Minuten tritt die gewünschte Entspannung ein.

Die progressive Muskelentspannung nach Jacobsen beruht auf dem Prinzip von Spannung und Entspannung. Nach und nach werden alle Körperteile von den Füßen bis zum Kopf für einige Sekunden angespannt und bewusst wieder losgelassen. Diese Übung kann man im Sitzen und im Liegen durchführen. Autogenes Training funktioniert ähnlich: man wandert gedanklich durch den Körper und stellt sich bei jeder Gliedmaße Schwere oder Wärme vor. Dadurch lenkt man sich selbst von der Anspannung ab und wird nach und nach ruhiger und gelassener.  

Auch ganz einfache Tricks wie das Händewaschen unter warmem Wasser, ein bestimmtes Ritual wie ein kurzer Spaziergang oder ein paar einfache Dehnübungen vor dem offenen Fenster können schon hilfreich sein, uns auf uns selbst zu konzentrieren. Auch der Gruppe helfen Rituale: Etwa das Versammeln und gemeinsame Fokussieren direkt vor dem Auftritt sowie ein motivierender, Ensemble-eigener Spruch oder Ruf, ähnlich wie einem Sportteam. 

Diese Herangehensweisen können auch den Tag über helfen: Es ist gut, seine Nervositätsschübe zuzulassen und die Spannung dann ein wenig abzubauen, durch leichten Sport, auf der Stelle laufen, Rituale oder Entspannungsübungen. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass sowohl der Körper als auch der Geist nicht überanstrengt werden: Weder den Tag nur auf der Couch liegen, noch einen Berg besteigen oder die Steuererklärung machen. Um sich zu schonen bzw. nicht zu gefährden, sollten Sänger*innen lange Telefonate vermeiden, Instrumentalist*innen Handwerksarbeit. Eine längere Pause vor dem Konzert hilft vielen, wer dabei kurz schlafen oder einen Kaffee trinken möchte, sollte gut beobachten, wie sich das auf den Körper beim Auftritt auswirkt. 

Vor dem Auftritt geht jede*r Musiker*in mit der Bewältigung des Lampenfiebers oder seiner Nervosität anders um. Die einen stehen unter höchster Anspannung und möchten diese auch gerne mit anderen teilen, suchen die Nähe von vertrauten Mitspieler*innen, der Gruppe oder des Ensembles. Andere sind am liebsten ganz bei sich und möchten niemanden hören, sehen oder sich unterhalten, möchten in Ruhe ihre Übungen machen, sich konzentrieren oder einfach gar nichts tun. Es ist wichtig, die Befindlichkeiten in einer Gruppe miteinander zu besprechen und aufeinander Rücksicht zu nehmen.  

Sollten sich Probleme verfestigen und zu einer Auftrittsangst führen, sollte fachtherapeutische Hilfe in Anspruch genommen werden. So hat zum Beispiel das Freiburger Institut für Musikermedizin ein multimodales Therapiemodell entwickelt, bei dem unterschiedliche Therapieansätze mit bühnenpraktischen und musikalischen Inhalten und Übungen kombiniert werden. 

Fazit: Niemand ist vor Lampenfieber oder Auftrittsangst sicher. Aber mit ein paar Methoden der Entspannung und Ritualisierung kann man sich gut selbst helfen und einen Auftritt (wieder) genießen. Ob man sich allein oder in der Gruppe vorbereitet und welche Übungen sich dafür am besten eignen, sollte einfach ausprobiert werden. Jede*r kann dann für sich entscheiden, wie sie oder er längerfristig damit umgeht. Die Freude, anschließend befreit mit anderen und für andere musizieren zu können, ist ein weiterer Ansporn und wird bestimmt auch mit viel Applaus belohnt.  

Impulsfragen

  • Welche Entspannungstechniken gibt es? Welche davon spricht mich an? 
  • Wie könnten wir Entspannungstechniken in einer Gruppe anwenden? 
  • Wie können wir in der Gruppe über Lampenfieber sprechen? 
  • Welche Auftrittsrituale habe ich? Welche davon tun mir gut und welche könnte ich ausprobieren? 
  • Was tut mir gut am Tag des Auftritts? 
  • Was brauche ich direkt vor dem Auftritt – möchte ich lieber in der Gruppe oder alleine sein? 
  • Wer in meinem Ensemble könnte beim Thema Lampenfieber etwas Unterstützung brauchen? 
  • Könnte professionelle Hilfe das Richtige für mich sein?