Long Covid – Hintergrundwissen und Hilfestellungen für Ensembles

Dieser Artikel gibt einen umfassenden Überblick, was zu Long Covid derzeit bekannt ist und beleuchtet relevante Punkte für die Ensemblepraxis.

Eine Corona-Infektion ist meist nach zwei Wochen überstanden. Doch einige klagen noch Monate nach der Corona-Erkrankung über Atemnot, Wortfindungsstörungen und starke Erschöpfung. Die Forschung und Behandlung von Long Covid stehen noch am Anfang, auch in Bezug auf die Amateurmusik.

Inhalt

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  • Ausgefuchst Handouts: Session „Long-COVID. Betroffene Mitglieder unterstützen und halten.“ vom 14. Juni 2023

Name und Definition

Der Begriff Long Covid wurde anfangs in den sozialen Medien vor allem von Betroffenen verwendet und steht für langanhaltende Folgebeschwerden nach einer Corona-Erkrankung. Dies kann eine Vielzahl an Symptomen umfassen. So werden gesundheitliche Langzeitfolgen, die nach einer Infektion mit dem Coronavirus auftreten können, unter dem Oberbegriff Long Covid zusammengefasst. In Medizin und Forschung muss selbstverständlich stärker differenziert werden. Hierbei spielen der zeitliche Verlauf, die Symptome und betroffenen Körperregionen eine Rolle. Für langanhaltende Beschwerden, die mehr als zwölf Wochen bestehen, wird auch der Begriff Post Covid genutzt. Da Long Covid die bekanntere Bezeichnung ist und die gesamte Zeit nach der akuten Erkrankung einschließt, wird im Folgenden von Long Covid gesprochen. Damit sind auch solche Fälle gemeint, in denen monatelange Beschwerden auftreten. Als seltene Nebenwirkung nach einer Corona-Impfung wird das Post-Vac-Syndrom beschrieben, dass mit vergleichbaren Beschwerden wie Long Covid einhergeht.

Häufigkeit und Risikofaktoren

Wie viele nach einer Corona-Infektion Long Covid entwickeln, kann derzeit noch nicht sicher gesagt werden und Studien kommen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Zudem kann sich die Häufigkeit je nach Virusvariante unterscheiden und ein möglicherweise reduzierender Einfluss durch die Impfung ist noch nicht abschließend geklärt. Nach einer Ansteckung mit dem Coronavirus kann grundsätzlich jede*r Folgebeschwerden entwickeln. Bisherige Erkenntnisse deuten an, dass bestimmte Risikofaktoren (z.B. Vorerkrankungen, schwerer Krankheitsverlauf) Long Covid wahrscheinlicher machen. Doch auch nach milden oder asymptomatischen Infektionen sind Langzeitfolgen möglich.

Long-Covid-Symptome

Die Symptome bei Long Covid sind vielfältig und können die Atemwege, das Herz-Kreislauf-System, den Muskelapparat, das Nervensystem, die Psyche und den Stoffwechsel betreffen. Die Beschwerden können schubförmig auftreten und sich nach körperlicher/geistiger Anstrengung verschlechtern. Mediziner*innen sind bis zu 200 verschiedene Long-Covid-Symptome bekannt. Zu den häufigsten Beschwerden zählen:

  • Kurzatmigkeit bzw. ein Gefühl von Luftnot
  • ausgeprägte Müdigkeit (Fatigue), verminderte Leistungsfähigkeit
  • Konzentrationsstörungen, kognitive Störungen wie Vergesslichkeit oder Wortfindungsstörungen (Brain Fog)
  • Brustschmerzen, Herzrhythmusstörungen
  • Muskel- und Gliederschmerzen
  • Haarausfall
  • Schlafstörungen

Bei Long Covid können die Symptome in verschiedenen Kombinationen auftreten, sich in ihrer Stärke massiv unterscheiden und prinzipiell auch mit der Zeit abnehmen.

Betroffene von Long Covid

Personen mit Long Covid sind nicht ansteckend. Die Infektion und Erkrankung mit dem Coronavirus liegen bereits Wochen oder Monate zurück. Jedoch kämpfen sie mit Langzeitfolgen, die sich nach der Corona-Erkrankung entwickelt haben und andauern.

Für Betroffene sind die Beschwerden durch Long Covid sehr belastend und ihre Lebensqualität ist nachweislich stark eingeschränkt. Viele berichten, dass sich mit ihrem Körper etwas verändert hat und nicht mehr geht, was vor der Corona-Infektion selbstverständlich war. Neben den körperlichen und geistigen Einschränkungen leiden die Patient*innen oft auch unter fehlendem Verständnis und Vorwürfen, dass die Symptome eingebildet seien. In dieser Situation fühlen sich Betroffene häufig hilflos, auch da die Forschung zum Krankheitsbild Long Covid und den Therapieoptionen erst am Anfang steht. Wann Long-Covid-Symptome bleiben und wann sie mit der Zeit wieder verschwinden, lässt sich bisher nicht sagen. Doch bei einem Großteil der Patient*innen wird erwartet, dass sich ihr Gesundheitszustand mit der Zeit wieder verbessern kann.

Mögliche Ursachen

Über die medizinischen Ursachen von Long Covid ist bisher noch wenig bekannt. Momentan werden drei Erklärungsansätze intensiv diskutiert und erforscht:

  • Eine starke Immunreaktion gegen das Virus könnte dazu führen, dass sich die Immunantwort nicht mehr gegen das Virus, sondern gegen eigene, gesunde Zellen richtet.
  • In den Blutgefäßen könnten durch das Virus Schäden entstanden sein, die Entzündungen hervorrufen. Durch kleine Blutgerinnsel könnte die Durchblutung beeinträchtigt werden, sodass z.B. Muskeln, Organe und das Gehirn nicht mit genügend Sauerstoff versorgt werden.
  • Im Körper könnten hartnäckige Viren oder Virusreste verbleiben, die das Immunsystem dauerhaft reizen und so zu ständigen oder wiederkehrenden Entzündungsreaktionen führen.

Die verschiedenen Ansätze schließen sich gegenseitig nicht aus und auch eine Kombination mehrerer Ursachen von Long Covid ist möglich.

Diagnose

Die Diagnose von Long Covid erfolgt anhand der Krankheitssymptome, da es bisher keine Biomarker bzw. spezielle Testverfahren gibt. Durch gezielte Untersuchungen können andere Krankheitsursachen ausgeschlossen und die Beschwerden abgeklärt werden. Diese Basisdiagnostik kann in der Hausarztpraxis erfolgen und ist für Betroffene die erste Anlaufstelle.

Behandlung und Therapieoptionen

Wirksame und gezielte Medikamente gegen Long Covid gibt es bislang nicht. Deshalb erfolgt die Behandlung je nach Schwerpunkt der Symptome und mit dem Ziel, die Beschwerden zu lindern. Je nach gesundheitlichen Problemen einer Person unterscheiden sich auch die möglichen Therapieoptionen. Beispielsweise können bei Long Covid folgende Maßnahmen sinnvoll sein:

  • Atemtherapie
  • Training der Koordination und Haltung
  • Kraft- und Ausdauertraining
  • Kräftesparendes Verhalten und Aktivitätsmanagement (Pacing)
  • Training der Gedächtnis- und Konzentrationsleistung
  • Sprech- und Schlucktraining
  • Psychologische Betreuung und Austausch mit anderen Betroffenen

Betroffene brauchen in der Regel viel Geduld und Zuversicht, denn eine Besserung kann nur Schritt für Schritt erfolgen. Um eine Überanstrengung zu vermeiden, werden die Therapien an die individuelle Situation und Belastbarkeit angepasst. Gegen die Erschöpfung anzutrainieren, kann sogar schädlich sein. Long Covid kann eine chronische Erkrankung werden. Deshalb ist es wichtig, dass Patient*innen die niedrigere Leistungsfähigkeit und das neue Körpertempo annehmen.

Weltweit wird intensiv geforscht, um die Behandlung von Long Covid zu verbessern. Der Fokus liegt auf den Ursachen der Erkrankung, möglichen Medikamenten und effektiven Rehamaßnahmen.

Long Covid und Musiktherapie

Gemeinsames Musizieren und bewusstes Atmen kann einen positiven Einfluss auf Gesundheit und Wohlbefinden haben. Davon können auch Long-Covid-Betroffene profitieren.

Eines der ersten und bekanntesten Beispiele ist das Projekt ENO Breath in London, entstanden durch eine Kooperation zwischen English National Opera und Gesundheitssystem. Dieses Atem- und Musikprojekt richtet sich an Menschen, die sich von einer Corona-Erkrankung erholen und weiterhin unter Atemnot und damit zusammenhängenden Ängsten leiden. Atemwegsexpert*innen, Musiktherapeut*innen und professionelle Sänger*innen haben das Programm gemeinsam entwickelt. „Es beinhalte die Haltung, bewusstes Atmen und die Stimmbildung. Dabei geht es nicht in erster Linie darum, zu singen, sondern darum, wieder ein Gefühl dafür zu bekommen, wie man Zwerchfell und Lunge effektiv einsetzt.[3]“ Neben den Atemübungen werden aufgrund ihrer entspannenden und meditativen Wirkung vor allem Wiegenlieder aus der ganzen Welt gesungen. Diese wirksame Therapieform führte zu vielen ähnlichen Kooperationen. Deutschsprachige Projekte sind beispielsweise:

Ensembles und Long Covid

Auch die Ensembles hat Long Covid schon erreicht. Die Beschwerden sind vielfältig und können in unterschiedlichen Ausprägungen auftreten. Wie können Ensembles damit umgehen, wenn Musizierende nach einer Corona-Infektion von Einschränkungen beim Musizieren berichten oder aus diesem Grund nicht mehr in die Ensembleproben kommen?

Für die Betroffenen stellt Long Covid eine große Belastung dar. Je nach Schweregrad können sie in ihrem Alltag sehr stark bis wenig eingeschränkt sein. Möglicherweise trauen sie sich die Teilnahme an Ensembleproben nicht zu oder stellen beim gemeinsamen Musizieren fest, dass sich etwas verändert hat. Betroffene berichten z. B. über eine verringerte Konzentrationszeit, dass die Finger nicht mehr so schnell laufen (beim Spielen von Instrumenten) oder von Problemen bei der Atmung (beim Singen/Spielen von Blasinstrumenten).

Für Betroffene ist die Hausarztpraxis die erste Anlaufstelle, um die Beschwerden abklären zu lassen. Wenn aus medizinischer Sicht nichts dagegenspricht, kann das Musizieren sogar ein Training gegen die nach einer Corona-Infektion neuaufgetretenen Einschränkungen sein. Wichtig hierbei ist, dass die neuen Grenzen selbst wahrgenommen und beachtet werden. Zudem ist es hilfreich, um Verständnis für die eigene Situation im Ensemble und bei den Ensembleleitenden zu bitten. Um die neuen körperlichen Grenzen ernst zu nehmen und sich selbst darüber hinaus nicht zu überfordern, sind regelmäßige Pausen während der Probe sinnvoll – einfach mal dem eigenen Ensemble zuhören. Auch die Noten können mit Unterstützung der Ensembleleitenden angepasst werden, um schnelle Läufe oder anstrengende Töne zu reduzieren.

Unterstützung und Hilfsangebote

Annalena Groß
BDB – Bund Deutscher Blasmusikverbände e.V.
Erstellt: Januar 2023
Zuletzt bearbeitet: Mai 2023

Quellen

[1] Mathias Tertilt, Shajan Ramezanian, So häufig ist Long Covid nach einer Corona-Infektion, Wissensredaktion Quarks , letzte Aktualisierung 13.07.2022

[2] Dr. med. Jördis Frommhold, LongCovid – Die neue Volkskrankheit , Verlag C.H.Beck oHG, München 2022

[3] Alexander Menden, Atmen gegen die Angst , letzte Aktualisierung 17.02.2021

[4] Deutsche Gesellschaft für ME/CFS e.V., Was ist Long COVID? , zuletzt abgerufen 12.12.2022

[5] Zusammen gegen Corona, Long COVID und Post-COVID: Langzeitfolgen einer COVID-19-Erkrankung , letzte Aktualisierung 23.06.22

[6] infektionsschutz.de, Long COVID: Langzeitfolgen von COVID-19 , letzte Aktualisierung 02.06.2022