Community Music und Inklusion

Community Music bedeutet Musik in und für eine Gemeinschaft und Inklusion, dass jeder Mensch ganz natürlich dazu gehört und zwar unabhängig von z.B. Alter, Geschlecht, Bildungsgrad, Sprache oder Behinderungen. Wie bereichernd es für das Ensemble sein kann, wenn alle mitmachen dürfen, sowie weitere Impulse zum Thema finden Sie in diesem Beitrag.

Inhalt

Für Stadtteil und Region

Musik bringt Menschen zusammen, ob im Viertel, der Stadt oder einer ländlichen Region. Welche Orte und Musizierformen bieten sich hierfür an? Welche Aktionen oder Themen? Welche Vorteile entstehen daraus?

Community Music ist Musik in und für eine Gemeinschaft. Hier können faktische Lebensgemeinschaften zu einem Kennenlernen und einer echten Begegnung eingeladen werden: Stadtteile, Dörfer, ländliche Regionen, Häuserblocks, Straßen, Besucher*innen eines bestimmten Freizeitortes u.v.m.

Eine passende Form dafür ist das offene Musizieren, bestenfalls in einer Regelmäßigkeit. Hier bietet eine Leitung im öffentlichen Raum (z.B. auf einem Platz, an einem Freizeitort) eine Musiziermöglichkeit in der Gemeinschaft an. Praktikabel ist das Singen einstimmiger Lieder oder rhythmisches Musizieren auf Alltagsgegenständen oder gestellten Instrumenten. Um Hemmungen abzubauen und zum Musizieren einzuladen, sollte das Niveau niedrig sein und Fehler machen normal, Unverbindlichkeit aber Regelmäßigkeit helfen zusätzlich dabei. Ziel ist zunächst nur das Ausprobieren und die Gruppenerfahrung. So werden Unbeteiligte aufmerksam und machen spontan mit, die Teilnehmenden lernen sich kennen, tauschen sich aus und eine Gemeinschaft entsteht. Der Rahmen des Musizierens sollte diesen Austausch möglich machen und mit einbeziehen. Auch Mitbestimmung sollte hier eine Rolle spielen, beispielsweise können Repertoirewünsche für die nächsten Male umgesetzt werden oder vor Ort spontan zwischen Liedern entschieden werden.

Das Musizieren einer erfahrenen Gruppe kann das offene Musizieren tragen oder unterstützen – dabei sollte jedoch niemand vom Niveau abgeschreckt werden oder es für ein Konzert halten.

Offenes Musizieren kann auch mit Notenmaterial wie Liedblättern stattfinden. Dieses steht entweder vor Ort ausgedruckt zur Verfügung oder sollte spontan und unkompliziert z.B. von einer Website auf das Smartphone heruntergeladen werden können.

Werbung kann über Mundpropaganda, aber auch über Plakate vor Ort und Social Media erfolgen. Sprechen Sie mögliche Teilnehmer*innen besonders vor den ersten Malen direkt an, um einen Teilnehmerstamm zu etablieren. Je nach Form und Ort kann es nötig sein, das Musizieren beim Ordnungsamt anzumelden oder mit dem Freizeitort abzusprechen.

Auch ein musikalischer Aktionstag kann in Regionen gemeinschaftsfördernd sein: So führt ein verbindendes Thema wie z.B. der nahegelegene Naturpark, die Marke der Stadt oder ein regionaler Anlass die Menschen musikalisch zusammen. Auch hier sollte Mitbestimmung stattfinden: Wie möchten wir das Thema angehen? Welche Aspekte interessieren uns? Welche Stücke passen dazu? Mit wem könnten wir dabei kooperieren?

Angebote wie offenes Musizieren oder Musizieren für regionale Identität lassen nicht nur neue soziale Verbindungen entstehen, sondern sie erweitern auch das kulturelle Angebot und vernetzen kulturelle Akteure. Für Menschen, die durch das Angebot zum Musizieren angeregt wurden, sollten Möglichkeiten zum weiterführenden Musizieren eingerichtet werden.

Impulsfragen

  • Wo könnte im öffentlichen Raum offenes Musizieren stattfinden?
  • Welches Material muss wie bereitgestellt werden?
  • Wie kann Mitbestimmung möglich werden?
  • Wie spricht und unterstützt die Leitung?
  • Wer ist bei den ersten Malen dabei?
  • Könnte eine musikalisch erfahrenere Gruppe die Basis bilden?
  • Zu welchem regionalen Thema könnten wir musizieren?
  • Mit wem könnten wir dafür kooperieren?
  • Wie machen wir Werbung und sprechen Teilnehmende an?
  • Welche rechtlichen Vorgaben gibt es?
  • Könnte sich daraus etwas Langfristiges entwickeln?

Mit Menschen verschiedener Kulturen

Multikulturelle Ensembles bergen ein großes Potential für die Teilnehmenden sowie für die Gesellschaft. Welche Musizier- und Ensembleformen, welche Stücke und Instrumente sind hier passend? Welche Chancen bieten sich dadurch für Teilnehmende, Vereine und Institutionen?

Eine Zielgruppe der Community Music sind Menschen mit Migrations- oder Fluchterfahrung jeden Alters. Hier liegt der Schwerpunkt auf dem Angebot einer künstlerischen Ausdrucksmöglichkeit, dem Erlernen musikalischer Fähigkeiten, der Verarbeitung der Migrationserfahrung sowie dem kulturellen Austausch.

Menschen mit Migrations- und Fluchterfahrungen sind oft finanziell und sozial benachteiligt und können daher weniger Kulturangebote wahrnehmen. In Community-Music-Projekten wird ihnen eine Möglichkeit bereitet, sich über die Musik mit Emotionen und Erinnerungen alleine und in der Gemeinschaft künstlerisch auseinanderzusetzen. Durch Mitbestimmung und das Erfahren der eigenen Kompetenz wird ihr Selbstvertrauen gestärkt. Zusätzlich erfordert das Arbeiten in großer Diversität gegenseitige Wertschätzung und Akzeptanz. Hier sollte ein großes Bewusstsein für die Kulturen der Heimatländer herrschen (etwa in der Begegnung von Menschen aus Kriegsgegner-Länder) und Angebote gezielt entworfen werden, um Hemmschwellen zu senken (etwa ein Projekt nur für Frauen).

Als Musizierformen bieten sich Workshops, Kurse, Musiktheater und Chöre an sowie Instrumentalensembles für Anfänger. Hier wird meist mit Körper, Stimme, Rhythmen und in ersten instrumentalen Schritten musiziert und auch Tänze und Bewegungsformen integriert. In Ensembles kann zusätzlich fortgeschrittene Erfahrung an bestimmten Instrumenten eingebracht werden. Auch Musiktheater eignet sich sehr gut, da es noch weitere künstlerische Ausdrucks- und Übungsformen bietet. Besonders für Jugendliche kommen mediale Projekte wie Songwriting und -produktion infrage. Das dabei Erlernte kann im Alltag weiter umgesetzt werden und die Medienkompetenz bietet eine berufliche Qualifikation.

Multikulturelles Instrumenten-, Musik- und Bewegungsrepertoire ist zugänglich und fördert die Motivation, wenn Stücke aus dem eigenen Kulturkreis enthalten sind. Dies hat auch den Vorteil, dass Ensemblemitglieder so für bestimmte Stücke zu Expert*innen werden. Wenn verschiedene kulturelle Anlässe für Auftritte genutzt werden, bekommen die Teilnehmenden noch einen tieferen Einblick in die Kulturen der anderen und auch ihre Familien können einbezogen werden.

Diese Formen der Community-Music-Projekte sind meist per se interkulturell, doch können sie auch gezielt der Begegnung von Deutschen mit Menschen anderer Kulturen dienen. Hier werden alle Kulturen gleichwertig behandelt und neue Musizierstile, Sprachen und Umgangsformen kennengelernt. Durch diese gemeinschaftliche musikalische Arbeit entsteht schließlich auch eine gemeinschaftliche soziale Identität. Ensemblepartnerschaften von Personen aus beiden Gruppen geben neuen Mitgliedern Sicherheit, können aber auch ein ausgewogenes Verhältnis der Gruppen zueinander sicherstellen.

Jenseits des sozialen Aspekts bieten interkulturelle Community-Music-Angebote auch für Vereine und Institutionen Chancen. Neben einer positiven öffentlichen Wahrnehmung werden hier auch neue Zielgruppen erreicht, die in Ensembles oder weiterführenden Angeboten langfristig gebunden werden können. Durch Kooperationen mit sozialen und kulturellen Einrichtungen werden nicht nur die Teilnehmenden akquiriert, es findet auch eine Vernetzung statt. Oft finden sich in der Zielgruppe auch professionelle Musiker*innen, die für die Arbeit im Verein/der Institution gewonnen werden können und das Angebot durch Instrumente, Stile oder Musizierformen ihrer Heimat erweitern.

Impulsfragen

  • Menschen welcher Kulturen leben in unserer Umgebung?
  • Wie könnten wir diese ansprechen und zum Musizieren einladen?
  • Welche Themen interessieren diese Menschen?
  • Welche interkulturellen Musizierformen kommen infrage?
  • Wie sieht das Musik- und Instrumentenrepertoire in so einem Projekt aus?
  • Wie können Partnerschaften und Verbindungen entstehen?
  • Welche Chancen bieten interkulturelle Projekte für einen Verein/eine Institution?

Mit sozial Benachteiligten

An Kulturerfahrungen und ihren positiven Wirkungen sollten alle Menschen teilhaben können. Wie können Angebote für sozial Benachteiligte geschaffen werden? Wie können sie erreicht und interessiert werden? Welche Musizierformen eignen sich hier?

Diese Community-Music-Projekte wenden sich an Menschen, die keinen oder einen erschwerten Zugang zu Kulturerfahrungen haben. Die Ursachen dafür kann ein geringes Einkommen sein, eine schlechte kulturelle Infrastruktur und Erreichbarkeit oder Bildungsferne.

Die Projekte bieten diesen Menschen die Möglichkeit zu künstlerischem Ausdruck und musikalischer Bildung sowie Teilnahmemöglichkeiten an Kulturangeboten wie Theater oder Konzert. Durch das gemeinschaftliche Musizieren wird das Bewusstsein für Körper und Emotionen geschult und Selbstvertrauen entwickelt. Über die Identifikation mit der Gruppe entsteht außerdem ein Zugehörigkeitsgefühl und Wertschätzung wird erlebt. Oft erfahren die Teilnehmenden hier zum ersten Mal soziale Beachtung und erhalten eine Plattform, sich zu präsentieren.

Es kann mit Rhythmus, Stimme, Körper, Bewegungen, Alltagsgegenständen, Medien und auf Instrumenten musiziert werden. Auch vielfältige gestalterisch-kreative und experimentelle Formen von Musikerleben können verwendet werden. Als Musizierformen eignen sich hier Workshops, Kurse, Musiktheater sowie Neugründungen von Ensembles. Workshops und Kurse sind verhältnismäßig unverbindlich und vielfältig und haben daher eine niedrige Hemmschwelle für Teilnehmende. Sie eignen sich auch für mediale Projekte wie Songwriting, Beatproduktion oder Appmusizieren. Das dabei Erlernte kann im Alltag weitergeführt werden und die Medienkompetenz bietet eine berufliche Qualifikation. Das Musiktheater hingegen motiviert durch zusätzliche künstlerische Ausdrucks- und Übungsmöglichkeiten, eine große Auftrittsmöglichkeit und eine starke Gruppenidentität.

Um Barrieren zu senken, sollte man sich inhaltlich an den Interessen der Zielgruppe orientieren. Gerade bei Projekten mit Jugendlichen spielt hier Popkultur, Mediales, Tanz und außermusikalisch Kreatives eine große Rolle. Typische Musikgenres können verwendet und mit anderen Musikstilen wie Klassik oder Volksmusik zusammengebracht werden. Projekte und Aufführungen können an Orten der Zielgruppe stattfinden und sich inhaltlich daran orientieren. Hier sollten die Teilnehmenden auch akquiriert werden. Dafür kann mit Schulen, sozialen Einrichtungen oder dörflichen Institutionen kooperiert werden. Im Kontext eines Projekts kann auch der Besuch eines Konzerts, einer Theatervorstellung oder eines kulturellen Vermittlungsangebots stattfinden.

Langfristiges Ziel sollte es hier sein, Strukturen zu etablieren (etwa durch Partnerensembles, Netzwerke, Neugründungen), weiterführende Projekte und Unterricht anzubieten oder in den Kursen Inhalte zu vermitteln, die die Teilnehmenden anschließend in ihren Alltag integrieren können. Der Einbezug der Familie der Teilnehmenden trägt außerdem dazu bei, bei ihnen das Interesse aufrechtzuerhalten und Unterstützung zu erfahren. So kann auch ein Verein oder eine Institution neue Mitglieder und neues Publikum gewinnen sowie ein vielfältiges Angebot schaffen.

Impulsfragen

  • Welche Gruppen in unserer Umgebung haben keine Möglichkeit zu Kulturerfahrungen?
  • Wie kann über den künstlerischen Ausdruck persönliche Entwicklung stattfinden?
  • Wie trägt die Gruppe dazu bei?
  • Welche elementaren Musizierformen, Workshops oder Musiktheater könnten wir anbieten?
  • Welche medialen Projekte kommen infrage?
  • Was sind Interessen, Kommunikationswege, Orte und Einrichtungen der Zielgruppe?
  • Wie können wir das Projekt zu einem langfristigen Angebot verstetigen?

Mit Senior*innen

Musizieren im Alter hat viele Vorteile und das Interesse daran wächst mit den Jahren. Wie kann mit aktiven älteren Menschen, Senior*innen mit Unterstützungsbedarf sowie dementiell Erkrankten musiziert werden? Wie können Mehrgenerationenensembles aussehen?

Dass über das Musizieren eine starke Gemeinschaft entsteht, kann in jedem Ensemble und Musikprojekt erlebt werden. Community Music macht sich diesen Effekt zunutze: Hier musizieren verschiedene soziale Gruppen und Einzelpersonen – über das gemeinsame Musikmachen entsteht Wertschätzung und ein Gemeinschaftsgefühl. Gleichermaßen steht jedoch auch eine musikalische Entwicklung im Fokus.

Im Alter wächst das Interesse, sich über das Musizieren neu zu identifizieren und in einer Gemeinschaft Musik zu erfahren. Auch körperliche und geistige Fitness spielen hier eine große Rolle. Besonders bei Menschen mit Kommunikationsproblemen durch Demenz oder Schlaganfälle kann die Musik auch ein Mittel zur Kommunikation und Stabilisierung sein.

Je nach Alter und Aktivität der Teilnehmenden unterscheidet sich das Musizieren mit älteren Menschen in Ansprüchen und Zielsetzungen.

In Ensembles von älteren aktiven Menschen ist die Motivation groß, genauso wie der Wunsch, zu lernen. Das Musizieren kann auf hohem Niveau geschehen, fit bleiben im Geist und Körper sowie das Erleben einer sozialen Gemeinschaft in gegenseitiger Wertschätzung sind hier zentral. Oft ist das Interesse an Herausforderungen und einem vielgestaltigen Repertoire groß, genauso wie an Bewegungen und unterschiedlichen Musikstilen. Körperliche Probleme, die sich in verminderter Virtuosität oder veränderter Stimmfunktion äußern, werden akzeptiert und wenn nötig kompensiert. Mit dieser Gruppe von Menschen kann auch über das reine Musizieren hinaus vielfältig kreativ gearbeitet werden: Tanz, Malen und Gestalten, Schauspiel, kreatives Schreiben, Flashmobs, Musiktheater u.v.m. sind hier möglich.

Bei älteren Senior*innen steigt oft die Angst, nicht mehr mithalten zu können und der Wunsch, Teil eines Ensembles zu sein, das langsamer agiert und Rücksicht auf körperliche und geistige Bedürfnisse nimmt. Das Repertoire sollte keinen zu großen Anspruch haben. Arrangements bekannter Stücke aus der Jugend werden leicht gelernt und gerne musiziert. Doch auch Melodien und Rhythmen aus anderen Kulturkreisen können hier erübt werden und Bewegungen Teil der musikalischen Arbeit sein. Diese Ensembles oder Projekte sollten bestenfalls vormittags oder nachmittags stattfinden, barrierefrei zugänglich sein und können auch ein gemütliches Beisammensein einschließen.

In der musikalischen Arbeit mit dementiell Erkrankten liegt der Schwerpunkt auf dem Abrufen von früher erlernten Mechanismen und dem Eröffnen von Fenstern zur eigenen Persönlichkeit: Über die Musik werden Erinnerungen und Emotionen lebendig, die Person kann ihre Identität vorrübergehend stabilisieren. Hier sollte die Möglichkeit bestehen, dass auch eine Bezugsperson teilnehmen kann und reibungslose Abläufe bzw. gleichbleibende Strukturen Sicherheit vermitteln.

Mit Senior*innen kann sehr gut im Ensemble gearbeitet werden: So spielen Fehler keine so große Rolle und sie sind in eine Gemeinschaft eingebunden. Je schwieriger das Musizieren mit dem Alter wird, desto eher eignet sich das Singen. Doch können etwa instrumental erfahrene Menschen mit Demenz auch noch länger in Instrumentalensembles mitwirken. Auch die Tischharfe eignet sich dafür: Sie steht für eine bequeme Haltung auf dem Tisch vor den Personen und kann mithilfe eines grafischen Musters gespielt werden.

Community-Music-Projekte mit älteren Menschen können auch für weitere Generationen offen sein und die Senior*innen dadurch sowohl klanglich als auch körperlich und organisatorisch unterstützt werden. Hier kann es auch Betreuungspartnerschaften mit anderen Ensemblemitgliedern geben. Maßgeblich für Anspruch, Lern- und Probengeschwindigkeit bleiben jedoch die Senior*innen. Interessante Themen können hier auch die Begegnung der Generationen sowie eine humorvolle Betrachtung von Generationenkonflikten sein.

Das Repertoire sollte von den Musizierenden mitbestimmt werden können bzw. auf sie zugeschnitten sein, dies besonders bei dementiell Erkrankten. Für Ensembles sind hier auch Kombinationen aus einer Probenzeit und einer freien Liederwunsch-Zeit möglich. Generell besteht bei älteren Menschen Interesse an Liedern aus der Kindheit und Jugend – bei der heutigen Generation älterer Menschen sind das Volkslieder, aber auch Kirchenlieder und Schlager – sowie an besonders bedeutungsvollen Liedern ihres Lebens. In Mehrgenerationenensembles sollte besonders bei der Verbindung von Kinder- und Seniorenchor das Repertoire gut auf die unterschiedlichen Stimmanforderungen angepasst sein.

Impulsfragen

  • Welche Gruppe von älteren Menschen sprechen wir an: Aktive, Hilfsbedürftige?
  • Welchen Anspruch haben sie?
  • Welche Bedürfnisse und Wünsche haben sie?
  • Welche Themen interessieren sie?
  • Welche Form soll stattfinden: Coaching, Musiktheater, Singen…?
  • Wo und wann kann das Musizieren stattfinden?
  • Wie kann Beisammensein stattfinden?
  • Wie kann Mitbestimmung stattfinden?
  • Wie können Partner*innen integriert oder neue Patenschaften etabliert werden?
  • Wie kann ein Mehrgenerationenensemble gestaltet werden? Welche Generationen werden einbezogen?
  • Welches Repertoire eignet sich?

Mit Hörgeschädigten

Musikalische und inklusive Projekte mit Hörgeschädigten bergen ein großes Potential. Welche Formen des Musizierens und Interagierens gibt es hier? Was sollte in der Planung bedacht werden?

Dass über das Musizieren eine starke Gemeinschaft entsteht, kann in jedem Ensemble und Musikprojekt erlebt werden. Community Music macht sich diesen Effekt zunutze: Hier musizieren verschiedene soziale Gruppen und Einzelpersonen – über das gemeinsame Musikmachen entsteht Wertschätzung und ein Gemeinschaftsgefühl. Gleichermaßen steht jedoch auch eine musikalische Entwicklung im Fokus.

Der Fokus bei der musikalischen Arbeit mit Hörgeschädigten liegt auf rhythmischem Musizieren sowie Musik und Bewegung. Hier kann besonders die Gebärde als musikalischer Ausdruck einbezogen werden: Gebärde als Gesang, als Tanzform oder als Dirigat. Doch auch Beatboxen, Bodypercussion und die Arbeit mit Rhythmusinstrumenten oder rhythmischen Akkordinstrumenten ist möglich.

Kooperieren Sie mit Schulen oder Verbänden, um Teilnehmende zu akquirieren. Hier werden Ihnen auch Dolmetscher*innen vermittelt, die in der Kommunikation mit Hörgeschädigten und insbesondere in der Arbeit mit Gebärde benötigt werden. Sie gewährleisten nicht nur einen gleichberechtigten Umgang, sondern geben auch Sicherheit im unvertrauten Raum.

Inklusive Projekte, in denen sich Hörgeschädigte und Hörende musikalisch begegnen, haben ein großes kreatives Potential: Gebärde kann gleichwertig zu Gesang betrachtet und gleichzeitig oder abwechselnd ausgeführt werden. Sie kann einem Stück auch vorangestellt werden. Hörende können gebärdend singen, während Hörgeschädigte rhythmisch musizieren. Ein Lied kann durch Gebärde auch angeleitet oder tänzerisch interpretiert werden. Aus der Gebärde eines Lieds kann eine Choreografie für alle entwickelt werden. In der Probenarbeit sollte viel Zeit für Gruppen- oder Partnerübungen eingeräumt werden, in denen sich Hörende und Hörgeschädigte begegnen und Kommunikations- und Ausdrucksformen erproben können.

Was ist das Ziel? In all diesen kreativen Möglichkeiten ist es wichtig, den Hörgeschädigten eine prominente Position einzuräumen und sie ihre eigene Kompetenz spüren zu lassen. So wird den Teilnehmenden nicht nur die Möglichkeit zum musikalischen Lernen und Ausdruck gegeben, es wird ihnen auch Wertschätzung entgegengebracht und ihr Selbstvertrauen gestärkt. Zusätzlich wird im künstlerischen Umgang das Bewusstsein für Körper und Emotionen geschult. In inklusiven Projekten findet außerdem eine Begegnung statt, Hemmschwellen werden abgebaut, Hörende lernen erste Gebärden und die Gruppen begegnen sich auf Augenhöhe. Ein Verein oder eine Institution kann so nicht nur wertvolle musikalische und gesellschaftliche Arbeit leisten, sondern auch neues Publikum erschließen, sich vernetzen und positive Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erlangen.

Impulsfragen

  • Mit welchen Institutionen könnten wir kooperieren?
  • Welche Bedürfnisse haben Hörgeschädigte?
  • Welche Begleiter*innen und Dolmetscher*innen können teilnehmen?
  • Wie kann Gebärde zu musikalischem Ausdruck werden?
  • Wie können Tanz, Bewegung, Rhythmus und Vibration integriert werden?
  • Wie können sich Hörende über Gebärde musikalisch ausdrücken?
  • Wie können sich Hörende und Hörgeschädigte musikalisch begegnen und kommunizieren?
  • Wie kann gleichberechtigtes musikalisches Arbeiten stattfinden?

Mit Sehbehinderten und Blinden

Musikalisches Arbeiten mit Sehbehinderten und Blinden ist einfacher, als man zunächst vermuten mag. Mit welchen Hilfsmitteln und Kompensationsstrategien können diese Personen musizieren? Wie können diese Personen im Ensemble unterstützt werden?

Da eine Sehbehinderung keine Blindheit ist, genügt es häufig, mit vergrößerten Noten zu arbeiten (oder die Personen nutzen ihre eigenen technischen Hilfsmittel) und einzuzählen. Sowohl bei Sehbehinderten als auch bei Blinden ist das Gehör gut ausgeprägt und eine große musikalische Sensibilität vorhanden. Blinde haben zusätzlich häufig ein absolutes Gehör und ein extrem gutes Erinnerungs- und damit Auswendiglern-Vermögen. Daher fügen sich Sehbehinderte und Blinde sehr gut ins Ensemblemusizieren ein und musikalische Ansagen/Prozesse werden von ihnen sogar länger erinnert als von ihren sehenden Mitmusizierenden.

Das Dirigat wird meistens kaum wahrgenommen – trotzdem gibt es hier viele Unterstützungsmöglichkeiten sowie Kompensationsstrategien und eine große Sensibilität für schwierige Momente. Zum einen wird das Einatmen der Leitung und Mitmusizierenden vor einem Einsatz wahrgenommen und ist im Chor eine sichere Angabe, aber auch in Orchestern eine mögliche Orientierung. Zum anderen kann in der Probe laut oder mit Berührung durch eine Nachbarperson eingezählt werden. Durch das generell, aber auch musikalisch große Erinnerungsvermögen sind Tempi sowie Übergänge im Konzert dann auch ohne Angaben klar. In Bands und in Ensembles mit Pop/Rock/Jazz/Gospel oder ähnlichem Repertoire können Einzähler auch im Konzert gerufen werden. Daher gilt: Die Person ansprechen und fragen, wie man sie unterstützen kann, welches Material man wie zur Verfügung stellen kann und sie ermutigen, sich bei Schwierigkeiten zu melden. Dafür kann auch eine spezielle Bezugsperson (z.B. die Chornachbarin oder der Pultnachbar) von der blinden/sehbehinderten Person ausgesucht oder für sie benannt werden.

Für das Lesen und Lernen von Stücken gibt es zwar die Blindennotenschrift , diese wird aber noch wenig unterrichtet und ist im Amateurmusikbereich daher nicht unbedingt geläufig. Es existiert jedoch eine Klavierschule zum Lernen der Blindennotenschrift, PDF (mit der auch sehende Klavierlehrer*innen unterrichten können) sowie viele übersetzte Notenwerke , die kostenlos ausgeliehen werden können. Für Konzertchorsänger*innen lohnt sich das Lernen der Blindennotenschrift wegen der Komplexität und Länge der Stücke und da gleichzeitig gelesen und gesungen werden kann. Beim Instrumentalspiel werden allerdings fast immer beide Hände benötigt, weswegen Blinde Stücke ohnehin auswendig spielen, was es bei weniger komplexen Stücken nicht notwendig macht, mit Blindennotenschrift zu arbeiten. Hier kann das Lernen auch durch Zuhören und Berühren einer vorspielenden Hand funktioniert. Dabei legt die lernende blinde Person ihre Hand auf die Hand der spielenden Person und nimmt dabei nicht nur die richtigen Tasten/Saiten/Ventile/Löcher/Klappen etc., sondern auch Fingersätze, Lagenwechsel, Strichrichtungen etc. wahr.

Impulsfragen

  • Wie können wir Sehbehinderte und Blinde in unser Ensemble einladen?
  • Was und wie müssen wir dafür nach außen kommunizieren?
  • Wen könnten wir direkt ansprechen?
  • Wie können wir Sehbehinderte und Blinde in unserem Ensemble unterstützen?
  • Wie können wir herausfinden, was die sehbehinderte oder blinde Person für Unterstützung benötigt?
  • Gibt es in unserem Einzugsbereich Schulen, Institutionen oder Förderzentren, mit denen wir kooperieren könnten?
  • Wie kann unsere Website für Sehbehinderte und Blinde barrierefrei werden? Hier sind dazu Anregungen und Hilfestellungen .
  • Welche Förderprogramme für inklusive Musikprojekte oder barrierefreien (digitalen) Ausbau gibt es z.B. bei der Aktion Mensch?