COMMUNITY MUSIC UND INKLUSION: Mit Sehbehinderten und Blinden

Musikalisches Arbeiten mit Sehbehinderten ist einfacher, als man zunächst vermuten mag. Da eine Sehbehinderung keine Blindheit ist, genügt es häufig, mit vergrößerten Noten zu arbeiten (oder die Personen nutzen ihre eigenen technischen Hilfsmittel) und einzuzählen. Sowohl bei Sehbehinderten als auch bei Blinden ist das Gehör gut ausgeprägt und eine große musikalische Sensibilität vorhanden. Blinde haben zusätzlich häufig ein absolutes Gehör und ein extrem gutes Erinnerungs- und damit Auswendiglern-Vermögen. Daher fügen sich Sehbehinderte und Blinde sehr gut ins Ensemblemusizieren ein und musikalische Ansagen/Prozesse werden von ihnen sogar länger erinnert als von ihren sehenden Mitmusizierenden.

Das Dirigat wird meistens kaum wahrgenommen – trotzdem gibt es hier viele Unterstützungsmöglichkeiten sowie Kompensationsstrategien und eine große Sensibilität für schwierige Momente. Zum einen wird das Einatmen der Leitung und Mitmusizierenden vor einem Einsatz wahrgenommen und ist im Chor eine sichere Angabe, aber auch in Orchestern eine mögliche Orientierung. Zum anderen kann in der Probe laut oder mit Berührung durch eine Nachbarperson eingezählt werden. Durch das generell, aber auch musikalisch große Erinnerungsvermögen sind Tempi sowie Übergänge im Konzert dann auch ohne Angaben klar. In Bands und in Ensembles mit Pop/Rock/Jazz/Gospel oder ähnlichem Repertoire können Einzähler auch im Konzert gerufen werden. Daher gilt: Die Person ansprechen und fragen, wie man sie unterstützen kann, welches Material man wie zur Verfügung stellen kann und sie ermutigen, sich bei Schwierigkeiten zu melden. Dafür kann auch eine spezielle Bezugsperson (z.B. die Chornachbarin oder der Pultnachbar) von der blinden/sehbehinderten Person ausgesucht oder für sie benannt werden.

Für das Lesen und Lernen von Stücken gibt es zwar die Blindennotenschrift, diese wird aber noch wenig unterrichtet und ist im Amateurmusikbereich daher nicht unbedingt geläufig. Es existiert jedoch eine Klavierschule zum Lernen der Blindennotenschrift (mit der auch sehende Klavierlehrer*innen unterrichten können) sowie viele übersetzte Notenwerke, die kostenlos ausgeliehen werden können. Für Konzertchorsänger*innen lohnt sich das Lernen der Blindennotenschrift wegen der Komplexität und Länge der Stücke und da gleichzeitig gelesen und gesungen werden kann. Beim Instrumentalspiel werden allerdings fast immer beide Hände benötigt, weswegen Blinde Stücke ohnehin auswendig spielen, was es bei weniger komplexen Stücken nicht notwendig macht, mit Blindennotenschrift zu arbeiten. Hier kann das Lernen auch durch Zuhören und Berühren einer vorspielenden Hand funktioniert. Dabei legt die lernende blinde Person ihre Hand auf die Hand der spielenden Person und nimmt dabei nicht nur die richtigen Tasten/Saiten/Ventile/Löcher/Klappen etc., sondern auch Fingersätze, Lagenwechsel, Strichrichtungen etc. wahr.

IMPULSFRAGEN

  • Wie können wir Sehbehinderte und Blinde in unser Ensemble einladen?
  • Was und wie müssen wir dafür nach außen kommunizieren?
  • Wen könnten wir direkt ansprechen?
  • Wie können wir Sehbehinderte und Blinde in unserem Ensemble unterstützen?
  • Wie können wir herausfinden, was die sehbehinderte oder blinde Person für Unterstützung benötigt?
  • Gibt es in unserem Einzugsbereich Schulen, Institutionen oder Förderzentren, mit denen wir kooperieren könnten?
  • Wie kann unsere Website für Sehbehinderte und Blinde barrierefrei werden?
  • Welche Förderprogramme für inklusive Musikprojekte oder barrierefreien (digitalen) Ausbau gibt es z.B. bei der Aktion Mensch?