Der komplizierteste Teil einer Probe unter verschärften Hygienemaßnahmen ist sicherlich das Musizieren selbst: Je nach Ensemblegröße und Raumbeschaffenheit ergeben sich mit großem Abstand zwischen den Musizierenden Problematiken: vor allem das Heraushören anderer Stimmen stellt sich als äußerst kompliziert heraus, wenn die Musizierenden bis zu 30 Meter entfernt voneinander sitzen. Besonders im Freien ist dies ein großes Problem, noch dazu, wenn es ein bisschen windig ist! Auch für die musikalische Leitung können Töne aus den hinteren Reihen schnell „verfliegen“. Achten Sie daher darauf, Ihr Ensemble eher in die Breite, statt in die Tiefe aufzustellen. Dies kann jedoch nicht bei jedem Raum/Platz gewährleistet werden. Genauso kann die Stimme der Leitung sehr schlecht zu hören sein und am Ende der Probe ist der*die Leiter*in stimmlich völlig überlastet. Hier helfen ein Mikrofon und eine transportable Musikbox.
Falls die Gruppe zu groß ist und die Musizierenden sich gegenseitig gar nicht mehr hören können, sollten Sie überlegen, das Ensemble in Gruppen aufzuteilen. Hier bieten sich Register-, Satz- und Stimmproben an, um intensiv am Konzertprogramm zu feilen. Weiterhin könnte man aber auch Stücke für kleinere Besetzungen ins Konzertrepertoire mitaufnehmen. Gerade im Bereich der Blasmusik wurden während der Pandemie viele neue Ensemblewerke arrangiert. Doch auch in Chören hat sich gezeigt, dass viele Sänger*innen motiviert sind, in solistischer oder kleiner Besetzung zu singen. Somit lässt sich sicherlich auch ein besonderes Konzertprogramm auf die Beine stellen. Die musikalische Leitung sollte dennoch immer ins Ensemble hineinhören: Möchten die Musiker*innen wirklich in kleinen Gruppen spielen oder alleine in der Stimme singen? Trauen sich manche Musizierende nur in einer kleinen Gruppe auf der Bühne zu stehen? Fakt ist jedoch, dass man als Musizierende*r dabei automatisch mehr gefordert ist, der Drang zu Üben größer ist und die Musizierenden sehr an ihrer Aufgabe wachsen.
Wenn das gewohnte Musizieren in der großen Gruppe aufgrund der Gruppengröße oder Raumbeschaffenheit nicht möglich ist, sollten Sie sich überlegen, gewisse Aspekte zu behandeln, die sonst vielleicht nicht „auf der Tagesordnung“ einer Probe stehen: Übungen, die das Aufeinander-Hören schulen und ein Bewusstsein für das Gemeinsame schaffen, sollten im Vordergrund stehen. Hierfür müssen auch nicht alle Stimmgruppen oder alle Register gleichzeitig musizieren. Zeigen Sie Ihrem Ensemble, wie eine Balance zwischen den Registern oder Stimmgruppen und Stimmen entstehen kann. Das Instrument/die Stimme muss dabei auch nicht immer genutzt werden: Warum nicht mal Body-Percussion-Übungen durchführen und so das Rhythmusgefühl der Gruppe stärken? Oder Rhythmen gemeinsam sprechen? Gemeinsam neue Atemübungen in der Gruppe ausprobieren lohnt sich ebenfalls und ist leicht umsetzbar. Achten Sie jedoch gerade bei Atemübungen auf den Abstand, denn hier ist der Aerosol-Ausstoß erhöht! Falls der Proberaum groß genug ist, könnten sich die Musizierenden beispielsweise beim Singen auch mit Abstand durch den Raum bewegen und das Gehör schulen.
In der Probe können auch gemeinsam neue Techniken erlernt werden, die dem Körper, dem Atem, der Stimme oder der Psyche beim Musizieren und Auftreten guttun. Falls sich Ihre Ensembleleitung mit diesen Techniken nicht auskennt, lohnt es sich, eine*n externe*n Dozent*in für einen Workshop mit ins Boot zu holen. So wird die Probe für die Musizierenden auch mit Abstand zu einem besonderen Ereignis!
IMPULSFRAGEN:
- Welche Techniken rund ums Musizieren könnten wir neu kennenlernen?
- Welche Atem-, Rhythmus- oder Sprechübungen eignen sich für eine Probe draußen und halten außerdem warm?
- Wie könnte das Ensemble in Kleingruppen an Hören, Wahrnehmen und Balance arbeiten?
- Welche Stücke eigenen sich für erste Schritte in Kleinbesetzung?
- Könnten wir die Musizierenden durch Kleinbesetzungen extra motivieren? Wie können wir sie bei dieser neuen Aufgabe unterstützen?
- Welche Orte draußen eignen sich für eine breite Aufstellung und haben nicht zu viel Geräuschkulisse? Wo steht man windgeschützt, so dass man sich untereinander besser hören kann?
- Welche Möglichkeiten hat die Leitung, die eigene Stimme und Ansagen zu verstärken?