Musikstücke entdecken

Um neue Musikstücke besser kennenzulernen, gibt es zahlreiche Methoden und Möglichkeiten. Sei es vom Hören und Wahrnehmen, der Struktur, dem Kreatives Schreiben, Malen und Gestalten oder Musizieren, bis hin zu Bewegung, Tanz und szenischen Interpretationen. Lassen Sie sich inspirieren.

Inhalt

Hören und Wahrnehmen

Beim Musikhören reagieren wir auf Impulse und Stimmungen, haben Assoziationen und Gefühle. Wie kann hier die Wahrnehmung der musikalischen Aspekte sowie der eigenen Emotionalität und Fantasie geschult werden? Wie profitiert ein Ensemble davon?

Dass beim Musikhören mehr stattfindet als eine bloße Aufnahme von Tönen ist der Grund, warum Musik so viele Menschen gleichermaßen begeistert. Wir reagieren auf Impulse, Stimmungen und Andeutungen, haben Assoziationen und Gefühle. Hier kann die Wahrnehmung geschult werden, indem sie gezielt auf bestimmte Aspekte im Stück und der eigenen Emotionalität und Fantasie gelenkt wird. Im Austausch darüber lernen sich Menschen besser kennen, entdecken Gemeinsamkeiten und Unterschiede und neue Perspektiven.

Dabei gibt es verschiedene Vorgehensweisen. Das Stück kann zunächst kommentarlos gehört werden und anschließend mit bestimmten Aufträgen oder Fragen noch ein- oder mehrmals erforscht werden. Hier können auch verschiedene Interpretationen des Stücks verglichen werden. Ein Stück kann aber auch nur einmal gehört und dabei direkt kreativ interpretiert werden (z.B. durch malen oder tanzen). So werden Impulse und Bilder direkt übersetzt und es bleibt weniger Zeit für einschränkende Überlegungen oder Korrekturen.

Ein suggestiver Titel kann entweder zuerst verschwiegen oder aber vor dem Hören genannt und mögliche musikalische Interpretationen des Titels überlegt werden. Welche Stimmung hat das Stück wohl? Welche Instrumente könnten passen? Wird es eher vielfältig oder gleichmäßig sein? Was soll beim Hören wohl ausgelöst werden?

Während des Hörens kann auch eine Visualisierung erfolgen: Das Stück entspricht einer bestimmten Strecke (Laufweg, Papierrolle, Seil…), auf der gewisse Aspekte durch Markierungen oder Bewegungen verdeutlicht werden (Karten auf den Boden legen, stehenbleiben…). Diese Aspekte können hier z.B. Abschnitte, Affektwechsel, Überraschungs- oder Lieblingsmomente sein. Diese Visualisierung kann einzeln nebeneinander passieren oder in nonverbaler Koordination zu zweit oder in der Gruppe. Beim zweiten Hören kann auch die Visualisierung einer anderen Person abgeschritten werden.

Im Stück können mehrere Aspekte wahrgenommen werden. Zum einen Strukturen und Proportionen: Abschnitte, Wechsel, Phrasen, Stimmen, Wiederholungen, Passagen, Konstruktionsmechanismen, Lautstärken, Verhältnisse, Dialoge, Wiederverwendungen, stilistische Floskeln, Momente u.v.m. Diese können auch verfremdet oder verwertet vorkommen: Wo finden sich Variationen, Improvisationen, Neuinterpretationen, Effekte?

Die Wahrnehmung kann sich auch auf die Hörenden und ihre Empfindung und Fantasie richten: Mag ich, was ich höre? Welche Wirkung hat die Musik auf mich? Welche Assoziationen, Bilder, Atmosphären, Erinnerungen, Wörter tauchen auf? Wo ändern sich diese? Wo wurde ich überrascht? Was finde ich besonders? Was wäre ich im Stück? Was würde ich am Stück ändern, ihm hinzufügen oder wegnehmen?

Strukturen, Empfindungen und Assoziationen zusammengenommen – welche Bedeutung könnte das Stück haben? Hat(te) es einen Zweck, ein Ziel? Hat es eine Aussage? In welchen Kontext könnte es passen? Hier können auch ensemble- oder alltagsspezifische Fragen folgen: Welcher Alltagsgegenstand passt zu dem Stück? Welche Stimm-/Satzgruppe? In welchen Lebenssituationen könnten man dieses Stück hören?

Dem Erforschen des Stücks sollte der Austausch über die Aspekte und Vorlieben folgen. Wie kann man das Stück noch empfinden? Wie noch beschreiben? Was habe ich noch überhört? Kann ich alles richtig sein lassen und anderen wertschätzend begegnen? Was wären die anderen gern im Stück und warum? Hier kann auch gemeinsam eine kreative Interpretation überlegt werden, die entweder im Anschluss direkt umgesetzt oder als langfristiges Projekt geplant wird.

Als Stücke eignen sich kurz gesagt: alle. Warum nicht das neue Konzertprogramm so erforschen und kennenlernen? Gewisse Stücke mit besonderem Charakter, Strukturen oder Titeln passen gut zu bestimmten Höraufträgen: Impressionistische Atmosphären, programmatisch-konkrete Erzählungen und Figuren, effekthafte Stücke, besonders konstruierte Stücke, motivische, emotionale, bewegte, wechselhafte, dramatische Stücke…

Impulsfragen

  • Möchten wir unsere eigenen Wahrnehmungen und die der anderen erkunden?
  • Welche Stücke möchten wir erforschen und besser kennenlernen?
  • Wie soll mit dem Titel umgegangen werden?
  • Wie oft wollen wir Interpretationen anhören?
  • Soll während des Hörens eine Visualisierung stattfinden?
  • Welche Aspekte sollen im Stück erforscht werden?
  • Welche Empfindungen, Assoziationen und Bedeutungen sollen erforscht werden?
  • Über was möchten wir uns im Anschluss an das Hören austauschen?
  • Möchten wir das Stück kreativ interpretieren/in anderen Kunstformen übersetzen?

Strukturen und Kontext

Um ein Musikstück besser kennenzulernen, kann es inhaltlich erkundet werden. Welche strukturellen und zeitgeschichtlichen Aspekte helfen bei einem besseren Verständnis? Wie können diese Aspekte mit eigenem Ausdruck interpretiert werden?

Um ein Musikstück besser kennen und verstehen zu lernen, kann es musikwissenschaftlich erkundet werden. Dabei muss keine detailgenaue Analyse erfolgen, der Schwerpunkt liegt eher auf einem bewussten Hören, Lesen und Erkennen sowie der Verbindung von Informationen und Ausgedrücktem. Hier können in einem Stück mehrere Aspekte untersucht werden, oder auch ein Aspekt in mehreren Stücken, etwa das Konzertthema.

Zunächst sollte geklärt werden, an welchem Punkt in diesem Prozess das Stück angehört werden soll – und wann vielleicht noch einmal oder mehrmals. Ein kommentarloses Hören verschafft einen ersten Eindruck und erste Merkmale können wahrgenommen werden. Mit Höraufträgen kann aber auch von Anfang an gezielt auf bestimmte Dinge geachtet werden. Ebenso ist relevant, ob und an welchem Punkt die Teilnehmenden die Noten zum Lesen und Eintragen erhalten.

Musiktheoretische Erkundungen können sich auf vielfältige Aspekte richten: Stilistik in Floskeln, Form oder Interpretation sowie generell Strukturen, Aufbau, Stimmführungen, Harmonien, Textinterpretationen, Themen etc.

Aus musikgeschichtlicher Sicht kann auch in größeren Zusammenhängen gearbeitet werden: In welchem biografischen Kontext des Komponisten steht das Stück? Wie und warum ist es entstanden? Gibt es Anekdoten oder Zitate dazu? Wie steht das Stück für seine Epoche? Welche Instrumente sind warum besetzt? Wer hat in der Uraufführung gesungen? Hat die Komponistin ein Interview über ihren Arbeitsprozess gegeben?

Diese Aspekte können nicht nur gehört und gelesen, sondern auch aktiv umgesetzt werden: visualisieren, nachahmen, nachspielen, improvisieren, selbst erfinden/komponieren, in anderen Kunstformen ausdrücken. Auch im Notenbild können Merkmale durch malen in Linien, Formen, Farben, Effekten u.v.m. visualisiert werden.

Dem Erkunden und Umsetzen schließt ein Austausch über den Prozess, die Ergebnisse und Empfindungen an.

Impulsfragen

  • Welche Aspekte sollen in einem Stück betrachtet werden?
  • Welcher Aspekt soll in mehreren Stücken betrachtet werden?
  • An welchem Punkt und wie oft soll das Stück angehört werden?
  • Wird mit den Noten gearbeitet? Ab welchem Punkt?
  • Welche musiktheoretischen oder musikgeschichtlichen Aspekte können erforscht werden?
  • Wie können die Aspekte aktiv erkundet werden?
  • Worüber möchten wir uns anschließend austauschen?

Kreatives Schreiben

Musikstücke regen die Fantasie und Gefühle an. Wie kann kreatives Schreiben die Wahrnehmung eines Stücks verändern? In welchen Formen kann kreativ zu und über Musik geschrieben werden?

Beim kreativen Schreiben kann Musik Assoziationen und Emotionen hervorrufen sowie zur Beschäftigung mit ihren Inhalten inspirieren. Es ist spannend, die entstandenen Textformen und Ideen mit dem Musikstück zu vergleichen und sie für sich oder auch im Austausch mit der Gruppe zu betrachten. 

Besonders beim Schreiben zu Musik werden Eindrücke, Stimmungen, Abläufe und Szenerien der Musik verdeutlicht. Dafür kann beispielsweise ein kurzminütiges Stück angehört und dazu geschrieben werden ohne abzusetzen – wem nichts mehr einfällt, der schreibt weiter seinen Gedankenfluss oder Nonsens auf. In einer Gruppe kann auch gemeinsam eine kurze Geschichte verfasst werden: Die Leitung überlegt sich etwa 5-10 Fragen, die den Abschnitten des Stücks entsprechen und deren Antworten eine Geschichte ergeben können (z.B. Wer erscheint? Wie sieht die Person aus? Was tut diese Person jetzt?). Jede Person schreibt nun während des Hörens je einen Antwortsatz auf, der inspiriert ist vom aktuellen Musikeindruck. Pro Frage wird das Papier reihum weitergegeben und die bisherigen Antworten umgeklappt. So entstehen mehrere Geschichten, an denen jede Person mit je einem Satz beteiligt war. Ob Gedankenfluss oder Abschnittsgeschichten: Beim Betrachten der Texte kann beobachtet werden, wie die Musik den Ausdruck und den Inhalt beeinflusst hat. 

Musik kann auch als Anregung für einen Text dienen. Zum Beispiel notiert jede Person während des Hörens drei Substantive, drei Verben und drei Adjektive, die für sie zum Stück passen oder es kontrastieren. Diese Wörter bilden nun den Ausgangspunkt für ein Gedicht, eine Kurzgeschichte oder eine Szene. Wer mehrere künstlerische Ausdrucksformen verbinden möchte, kann zur Musik auch »Kritzeln«: Das Herumkritzeln mit einem Stift auf Papier wird dabei von den musikalischen Impulsen und Ausdrücken geleitet. Sobald in der Kritzelei eine Form erkannt wird, schreibt man den Begriff daneben und kritzelt weiter. Im Anschluss können die Begriffe und die Formen noch einmal mit dem Stück verglichen und später als Inspiration für einen Text genutzt werden. 

Ein Musikstück kann nach mehrmaligem Hören auch kommentiert werden: Wie muss die Komponistin sich beim Schreiben gefühlt haben? Was hat wohl die Familie des Komponisten zum Stück gesagt? Woran dachte der Sänger beim Singen? Wie übt man nur ein solch virtuoses Instrumentalstück? Alle möglichen Fragen und Antwortvorschläge können in Briefen an die Komponist*innen oder Interpret*innen zum Ausdruck kommen. Ein Kommentar kann auch durch das Stück führen: Etwa als Konzertmoderation, in der Besonderheiten des Stücks zur Sprache kommen, oder als Medienprojekt z.B. in Form eines »Live-Sportkommentars« zur Musik. 

Ein Musikstück hat auch immer eine eigene Geschichte: Wie ist es entstanden? Für wen? In welcher Lebenslage befand sich der oder die Komponist*in? Was erzählt der Zyklus, die Symphonie, die Stücksammlung? Welches Thema wird dabei behandelt? Diese stückeigene Geschichte kann nun – auch in modernisierter Form – nacherzählt oder neuinterpretiert werden: In Briefen oder Chats, in dialogischen oder nonverbalen Szenen für ein Video oder für ein Konzert, in Rap- oder Songtexten zu den eigenen Erfahrungen mit dem Thema u.v.m. 

Man kann auch zuerst einen Text zu einem bestimmten Thema, einer Szenerie oder einer Emotion verfassen und im Anschluss daran ein passendes Musikstück auswählen. Danach können die Ensemblemitglieder die Texte und Stücke einander vorstellen und sich über die Zusammenhänge und Wirkungen von Text und Musik austauschen. 

Als Textformen bieten sich beispielsweise an: Briefe, Kurzgeschichten, Moderationen, Dialoge, Szenen für ein Musikvideo, einen Film oder ein Theaterstück, Kommentare, Raps, Songtexte und Gedichte. Bei Gedichten kann eine vorgegebene Form häufig das Schreiben erleichtern und inspirieren: Etwa Elfchen-Gedichte , Unsinnzweizeiler, Limericks , Haikus oder Konkrete Poesie mit ihrer grafisch-visuellen Darstellung des Inhalts. 

Impulsfragen

  • Möchten wir von einem Stück oder von einem Text ausgehen? 
  • Möchten wir das Stück assoziativ erkunden oder inhaltlich darüber schreiben? 
  • Welche Text- und Umsetzungsformen interessieren uns? 
  • Wie könnte kreatives Schreiben zur Vorbereitung eines Konzertprojekts genutzt werden? 
  • Welche Textformen könnten Teil des nächsten Konzert- oder Medienprojekts werden? 

Malen und Gestalten

Malen und Gestalten im Kontext eines Musikstücks fördern das Verständnis für das Werk sowie den eigenen emotionalen und kreativen Ausdruck. Welche Formen sind hier möglich? Wie kann hier ein Ensemble individuell aber auch gruppendynamisch profitieren?

Haben Sie schon einmal zu Musik gemalt? Das Gehörte visuell auszudrücken ist eine kreative Möglichkeit, um sich mit Musikstücken auseinanderzusetzen. Es kann gleichzeitig während des Hörens gemalt, oder erst das Musikstück gehört und im Anschluss drauf los gemalt werden. Ein suggestiver Titel kann genannt oder zunächst verschwiegen werden. Die gestalteten Werke können dabei frei und abstrakt oder konkret und alltagsnah sein. Welche Instrumente sind zu hören? Welche Farben drücken die Stimmung der Musik am besten aus? Welche Kulisse passt zur Musik? Die gestalterische Arbeit mit der Musik ist individuell und persönlich. Es gibt keine falschen Ergebnisse. Ziel ist es, den eigenen Empfindungen, Wahrnehmungen und Assoziationen zur Musik Ausdruck zu verleihen und sie kennenzulernen.

Gemalt werden kann auf viele verschiedene Arten: Beim Malen mit geschlossenen Augen oder der schwachen Hand entstehen überraschende und humorvolle Zeichnungen. Zudem hilft dieser Einstieg, das Entstandene nicht zu streng zu bewerten. Mit beiden Händen zu malen richtet den Blick mehr auf Formen und Bewegungen. Dafür kann man auch mit den Fingern malen und so tänzerische Impulse nachvollziehen. Das Malen ohne abzusetzen lädt dazu ein, sich der Musik hinzugeben und das Grübeln über den perfekten nächsten Pinselstrich zu vergessen.

Auf was wollen Sie malen? Eine weiße Leinwand, farbiges Papier, eine Tafel? In einer bestehenden Szenerie? Oder lieber im Notentext? Welche Materialien, Zeichen- und Gestaltungsformen möchten Sie benutzen?

Das Malen zur Musik kann auch interaktiv und gemeinsam gestaltet werden. Lassen Sie eine Gruppe malen und nach einiger Zeit die Bilder im Kreis weitergeben und weiterbemalen – eine gemalte Flüsterpost. Es kann auch von Beginn an gemeinsam auf einer Leinwand oder Tafel gezeichnet werden. So entsteht ein großes Gemeinschaftswerk. In Paaren können Sie mit einer langen Papierrolle arbeiten: Die zwei stehen sich an einem Ende der Rolle gegenüber. Während Musik läuft, schreiten sie die Papierrolle malend mit der Aufgabe ab, sich dabei zu spiegeln. Ist das erste Paar durch, folgt das nächste. Es gibt mehrere Durchläufe, bis die Musik verklingt. Diese kreativen Aktionen sensibilisieren für die Musik und die Mitmenschen.

Oder möchten Sie lieber in anderen kreativen Arten zur Musik gestalten, etwa in Naturbildern, Fotografien, Töpferei? Warum gestalten Sie nicht auch ein Menü oder Buffet, das das Stück widerspiegelt, und laden ihre Ensemblekolleg*innen dazu ein?

An das Malen und Gestalten schließt sich ein Austausch über die eigene Wahrnehmung der Musik, Malprozesse und den Vorgang der Übersetzung in die andere Kunstform an. Der Austausch sollte offen und ohne eine Wertung der Ergebnisse erfolgen. Die entstandenen Werke können im Anschluss als Erinnerung an die Veranstaltung mitgenommen oder sogar ausgestellt werden.

Suchen Sie Stücke mit besonderem Charakter, bestimmten Strukturen oder programmatischen Titeln: Impressionistische Atmosphären, konkrete Erzählungen und Figuren, effekthafte Stücke, besonders konstruierte Stücke, motivische, emotionale, bewegte, wechselhafte, dramatische Stücke…

Impulsfragen

  • Für welche musikalischen Aspekte können welche Farben, Formen, Linien oder Materialien stehen?
  • Wie könnte man Lautstärke, Stimmung und Effekte visuell ausdrücken?
  • Welche Instrumente erkenne ich in der Musik wieder?
  • Welche Pinselbewegungen kommen beim Hören der Musik?
  • Wie könnten wir gemeinsam malen?
  • Was möchten wir zur Musik gestalten?
  • Was wurde durch das Malen der Musik ausgedrückt?
  • Was haben wir durch das Malen über die Musik erfahren?
  • Welche Stücke interessieren uns für ein zeichnerische oder gestalterische Umsetzung?

Bewegen und Tanzen

Bewegung und Tanz schaffen Verständnis für ein Musikstück und schulen die eigene Ausdrucksfähigkeit. Welche Bewegungskonzepte gibt es hier? Wie kann zum Bewegen hingeführt werden?

Bewegung zur Musik schafft ein Verständnis für Impulse, Spannungsabläufe und Stimmungen. Die Bewegungen stehen dabei im Bezug zum Gehörten – entweder wird ein Musikstück interpretiert oder mit einem Interpretationswunsch ein passendes Musikstück ausgesucht. Die Bewegungen können Tänze, Choreografien und Gesten sein, aber auch natürliche Bewegungsabläufe.

Dazu sollte vorweg das Körperbewusstsein erhöht und die Möglichkeiten der eigenen Bewegungen erkundet werden. Hier können sich die Teilnehmenden im Raum bewegen und nun auf Kommandos Bewegungsabläufe variieren: Das Lauftempo bis zur Zeitlupe verlangsamen oder beschleunigen, verschiedene Emotionen im Gang ausdrücken, wie bestimmte Figuren gehen oder z.B. eckig oder rund bewegen.

Nun wird das Stück gehört und sich in Kleingruppen oder alleine für ein Bewegungskonzept entschieden: Soll es abstrakt bleiben und vor allem Spannungen, Impulse, Emotionen visualisieren? Oder soll der Schwerpunkt auf dem Erzählen einer Geschichte liegen und der Bewegungsablauf alltäglicher sein?

Auch anders herum kann zunächst ein Bewegungskonzept und eventuell auch eine gewünschte Aussage stehen und dann das passende Stück aus einigen Beispielen herausgesucht werden.

Bei einer eher tänzerischen Interpretation kann die Wahl sehr abstrakt sein, jedoch etwa bei Liedern bestimmte Worte konkreter ausdrücken. Wollen wir die Spannungs- und Emotionsabläufe interpretieren? Hat das Stück eine bestimmte Aussage, die uns leitet? Wollen wir Bewegungsabläufe für eine Person oder für eine Gruppe gestalten? Wie wirken in der Gruppe koordinierte, gegensätzliche und individuelle Bewegungen, was passt wann zum Stück? Sind gehaltene Posen und Stillstand auch Bewegung?

Eine erzählende Interpretation erkennt in dem Stück eine Handlung, diese kann auch im Kontext eines Titels bzw. einer Aussage des Stücks stehen. Dabei können die handelnden Figuren vom Stück vorgegeben sein oder sich ausgedacht werden. Die Bewegungsabläufe können nun ebenfalls tänzerisch sein, werden aber von der Handlung geleitet. Erzählende Konzepte bieten jedoch auch die Möglichkeit für eine schauspielerische Interpretation der handelnden Figuren und/oder einer alltägliche Bewegungsweise.

In der Arbeit mit Hörbeeinträchtigten, aber auch sonst, kann mit Gebärdensprache gearbeitet werden. Wie sieht der Liedtext in Gebärde aus? Wie kann durch diese Art von Bewegung »gesungen« werden? Wie kann Gebärde zu einem ganzkörperlichen Tanz werden? Welche Stücke haben eine enge Verbindung zum Thema Gehörlosigkeit, Stille o.ä.?

Stücke in Bewegung zu interpretieren eignet sich besonders beim Kennenlernen neuer Stücke, bei der Arbeit mit Jugendensembles, für Probenwochenenden, aber auch für Neustart-Proben, in denen häufige Sing-/Spielpausen nötig sind. Auch für digitale Proben ist es eine passende Methodik: Hier wird der Video-Bildausschnitt zur Bühne. Kleingruppen können in Breakout-Sessions einen Stückausschnitt in Bewegung interpretieren. Ist ein komplettes Stück in Kleingruppen aufgeteilt, kann es anschließend in der großen Runde eingespielt werden und die Gruppen steigen nacheinander ein, um ihre Ergebnisse zu präsentieren. Auch für Splitscreen- und andere Musikvideos eignen sich solche Interpretationen.

Impulsfragen

  • Welche Stücke eigenen sich für eine Bewegungsinterpretation?
  • Sollen sie Abschnittsweise oder im Ganzen erarbeitet werden?
  • Soll ein Ausdruckswunsch vor einer Stückwahl stehen oder ein bestimmtes Stück eine Interpretationsidee anregen?
  • Wie kann ein Körper sich bewegen, sich bewegt ausdrücken?
  • Wie abstrakt oder konkret ist unser Ausdruck?
  • Wie alltäglich sind unserer Bewegungen?
  • Erzählen wir eine konkrete Geschichte?
  • Bewegen wir uns als Gruppe oder Individuen oder beides?
  • Welcher Anlass und welches Projekt sind passend für eine solche Bewegungsinterpretation?

Kreatives Musizieren

Musikstücke, Songs, Themen, Pattern u.v.m. können als Basis für eigenen kreativen musikalischen Ausdruck und Experimente dienen. Welche Möglichkeiten gibt es hier?

Kreatives Musizieren bedeutet eigene musikalische Ideen zuzulassen, ihnen einen Ausdruck zu verleihen und sich Zeit zu nehmen, sie weiter auszuarbeiten. Dabei dürfen auch bestehende musikalische und nicht-musikalische Beispiele zur Orientierung oder als Inspiration dienen. Die Arbeit mit existierendem Material unterstützt den künstlerischen Prozess, in dem die eigene Kreativität im Mittelpunkt steht. 

Diese Art des Musizierens lässt die Teilnehmenden in eine Art kompositorischen Prozess eintauchen. Fertige Kompositionen sind nicht zwingend das Ziel der Beschäftigung. Vielmehr geht es darum, die Schritte, Überlegungen und Erfahrungen, die bei der künstlerischen Auseinandersetzung gemacht werden, zu erleben. Eine Orientierung für das kreative Arbeiten können die Phasen Explorieren – Konkretisieren – Präsentieren geben. 

In der Phase des Explorierens wird das Material erforscht, das als Ausgangspunkt für das kreative Musizieren genutzt werden soll. Diese Inspirationsquelle kann musikalisch sein (z.B. Songs und Werke, Stilistik und Genre, Epoche) oder von anderen Künsten kommen: Gedichte und Geschichten, Bilder und Skulpturen oder Tänze und Bewegungen. In der Alltagswelt findet sich ebenfalls Ausgangsmaterial, das für kreative Prozesse genutzt werden kann (Stadt- und Naturgeräusche, Zeitungsausschnitte, Chatverläufe, Küchengegenstände etc.). Aber auch Themen wie beispielsweise Freundschaft, Zukunft, Nähe und Distanz oder Veränderung können als Grundlage für eigene Ideen dienen. Beim Explorieren wird zunächst gesammelt und ausprobiert. Hintergrundinfos zum Material/Thema werden gebündelt und es entwickeln sich (musikalische) Skizzen und Ideen. Was finde ich spannend? Was interessiert mich? Das Sich-Einlassen auf das Material folgt der Neugier. Dabei entsteht eine dichte Sammlung von Entwürfen.  

In einem nächsten Schritt, der Phase des Konkretisierens, wählt man einen der gesammelten Herangehensweisen und arbeitet diesen aus. Welche Idee oder Skizze möchte ich weiterverfolgen? Welchem Interesse möchte ich mich intensiver widmen? Diese Phase erlaubt es, sich in einen Teilaspekt zu vertiefen und diesem eine Gestalt zu geben. Es entstehen Zwischenergebnisse, die frei von einem Perfektionsanspruch sind. Ganz nach dem Motto „der Weg ist das Ziel“ sind die Erfahrungen und Handlungen während des Prozesses entscheidend. 

Die Phase der Präsentation der Zwischenergebnisse schließt eine Prozessschleife ab, die sich während eines Projekts mehrfach wiederholen kann. Denn zu der künstlerischen Arbeit gehört es auch, einen Abschluss zu finden. Während man sich in der Konkretisierungsphase immer stärker in eine Sache vertieft, bietet die Präsentation die Chance, sich vom eigenen Werk zu distanzieren, über den Prozess zu reflektieren und sich Feedback einzuholen. In dieser Phase können auch Fragen zur Darstellung des Zwischenergebnisses gestellt werden: Wie soll es präsentiert werden? In welchem Raum? Wie ist das Publikum positioniert? In einer weiteren Konkretisierungsphase können nun Erkenntnisse aus der Präsentation eingearbeitet werden oder man widmet sich einem neuen Schwerpunkt aus der Explorationsphase. 

Beim kreativen Musizieren fallen die musikalischen Ergebnisse sehr vielseitig aus. Es können beispielsweise erste Fragmente für eigene Songs oder Instrumentals (ein Gitarrenriff, eine Bassline, eine melodische Hookline, Songtexte) oder Fragmente zu bestehenden Songs entstehen (neue Harmonien zu einem Volkslied). Zweite und dritte Stimmen können komponiert und neue Begleitungen geschrieben werden. Aber auch das Sammeln von musikalischen Zitaten kann Ausdruck einer kreativen Beschäftigung sein. Diese Rhythmen, Beats und Melodien können im nächsten Schritt, ähnlich dem Sampling, zur kreativen Musikproduktion genutzt werden, indem sie in einen neuen musikalischen Kontext überführt werden. Dem verwandt sind musikalische Collagen, die verschiedene musikalische Bausteine zu einem neuen Musikstück zusammenführen. Das Verwenden von Sampling-Apps und Softwareprogrammen erleichtert in beiden Fällen die kreative Arbeit. Das Erstellen von Playlists zu einem bestimmten Thema (z.B. Welche Musik würde Wolfgang Amadeus Mozart heute hören?) kann ebenso ein Einstieg in die kreative Auseinandersetzung mit Musik sein. Auch bei den Ergebnissen sind der persönlichen Kreativität keine Grenzen gesetzt. 

Die Leitenden und Initiierenden eines kreativen Musizierens stehen den Teilnehmenden während des Prozesses unterstützend zur Seite. Sie können allgemeine oder zielgerichtete Impulse geben, um der individuellen gestalterischen Arbeit zu helfen. Im Voraus können bereits Zettel mit Fragestellungen vorbereitet werden, die die Teilnehmenden bei Bedarf unterstützen (Wie würde ein Lied des Protagonisten im Gedicht klingen? Welche Elemente müsste ein Song von heute haben, der sich mit dem gleichen Thema wie das (Kunst)Lied beschäftigt? Wenn die Bewegung eine Melodie wäre, wie würde sie klingen? Wie müsste eine Musik sein, die den gehörten Interpreten kontrastiert?). 

Kreatives Musizieren regt dazu an, sich selbst mit der musikalischen Gestaltung zu beschäftigen. Dabei ist nicht (nur) das Ergebnis entscheiden, sondern besonders die Auseinandersetzung. Der individuelle und persönliche Zugang zur musikalischen Gestaltung bietet den Teilnehmenden die Chance, voneinander zu lernen und von den Erfahrungen gegenseitig zu profitieren.

Impulsfragen

  • Welche inspirierenden musikalischen und außermusikalischen Inhalte kann ich den Teilnehmenden als Einstiegsmaterial zur Verfügung stellen? 
  • Mit welchen Themen möchten sich die Teilnehmenden gerne kreativ auseinandersetzen? 
  • In welchen Formen und Formaten könnten die Teilnehmenden sich gerne ausdrücken wollen? 
  • Womit kann ich die kreative Arbeit der Teilnehmenden unterstützen und begleiten? 
  • Kenne ich Expert*innen und Künstler*innen, die ich für einen Impuls einladen kann? 
  • Was könnte ich für die Teilnehmenden vorbereiten z.B. Technik, Material, Beispiele? 

Szenisch interpretieren

Musik kann szenisch interpretiert werden, um sich Themen, Erzählungen, Figuren und Szenerien zu nähern. Welche Übungen gibt es? Welche Möglichkeiten bieten sich dadurch?

Ein szenisches Interpretieren von Musik eignet sich besonders für Stücke mit Figuren und klarer Handlung, ist aber bei Stücken mit programmatischen Titeln oder Szenerien möglich. Ein Musikstück kann darüber hinaus auch in einem biografischen Kontext des*der Komponist*in interpretiert werden und als Resultat können z.B. Szenen für ein Musikvideo entstehen.

Die Musik wird zunächst angehört und spontane Assoziationen zu den Themen des Stücks werden gesammelt. Die Assoziationen können auch vor dem Hören zum Titel erfolgen und mögliche musikalische Ausdrucksformen dafür überlegt werden.

Nun können die Szenerien entweder gemalt oder mit Schildern benannt und ausgestaltet werden. Um sich dort besser einzufühlen, kann die Leitung eine Traumreise erzählen und optional mit Musikausschnitten oder Geräuschen und Gerüchen unterlegen.

Sollte es keine Rollen geben, können nun mögliche Handlungen interpretiert und allgemeine Figuren dazu ausgedacht werden (z.B. »ein Jäger«). Diese Handlungen und Figuren können auch biografisch zugeordnet werden, etwa der Komponist und seine Geliebte. Nun nähert man sich impulshaft diesen Figuren oder den tatsächlichen Rollen durch Körperhaltungen: Dafür können mehrere Personen mit dem Rücken zu den anderen stehen und sich auf »los« umdrehen und in den Charakter springen. Die beobachtende Gruppe kann vergleichen und kommentieren. Die Rollen werden geschlechtsunabhängig und auch mehrfach vergeben.

Nun wird Körperlichkeit und Sprachausdruck entdeckt. Dafür gehen alle gleichzeitig durch den Raum. Vom reinen Gehen als Figur kann auch zum Ausdrücken verschiedener Emotionen als Figur im Gehen übergegangen werden. Hier eignet sich auch die Arbeit mit Schlüsselsätzen: Diese können entweder dem Text entnommen oder sich ohne Text ausgedacht werden. Nun wird mit den Schlüsselsätzen beim Gehen improvisiert: Vor sich hin sprechen oder nur bei Begegnungen mit anderen, auf Kommando die Sätze in unterschiedlichen Ausdrucksweisen sprechen u.v.m.

Um die Rollen noch lebendiger werden zu lassen, kann ihre Biografie erkundet werden: Hier werden Informationslücken gefüllt oder sich eine Biografie komplett ausgedacht. In Interviews können mehrere Personen als dieselbe Figur antworten. Sie sitzen dabei mit dem Rücken zur restlichen Gruppe. Figur 1, wie alt bist du? Hast du Familie? Wie bist du aufgewachsen? Hier können auch erste Beziehungskonstellationen erforscht werden: Figur 1, wie stehst du zu Figur 2? Was denkst du über Figur 3?

Was machen die Figuren für typische Bewegungen? Hier kann in Kleingruppen eine Choreografie von Bewegungen einer Figur entwickelt werden, die zur Musik geloopt und anschließend präsentiert wird.

Bilderstellen kann Situationen, Figurenkonstellationen, Schlüsselmomente oder Szenenessenzen visualisieren. Die Standbilder können nonverbal von einer kleinen Gruppe gebaut werden und anschließend von den anderen kommentiert, mit Fragen erkunden, verändert oder erweitert werden. Hier kann auch zur Musik eine Szene gespielt und bei Musikstopp sofort ein Bild des jeweiligen Moments gestellt werden.

Auch singen und improvisieren kann verwendet werden: Zunächst kann mit Gehen im Raum und dem Singen einzelner Fetzen die Singhaltung der Rolle erkundet werden. Auch kann eine Szene zur Musik improvisiert werden: Entweder nonverbal oder mit zusätzlichem Singen der Schlüsselsätze der Rollen. Auch das Spielen einer Szene mit kommentierendem Singen in Rezitativform ist möglich.

Nach dieser intensiven Beschäftigung mit bestimmten Figuren sollte es ein Ausfühlungsritual geben, in dem die Teilnehmenden aus den Rollen entlassen werden. Zum Abschluss findet eine Reflexion statt. Hier kann über Schwierigkeiten beim Spielen, interessante Facetten der Figuren, Ausdrucksweisen etc. gesprochen werden. Auch ein kurzes Blitzlicht reihum ist möglich: Jede*r sagt einen Satz, eine Erkenntnis, einen Kommentar o.Ä., das Gesagte bleibt von den anderen unkommentiert. Nun kann noch einmal die Musik gehört werden.

Impulsfragen

  • In welchem biografischen Kontext steht das Stück?
  • Welche Szenerie hat das Stück?
  • Hat das Stück Rollen? Wenn nein, welche Figuren passen zum Stück?
  • Wie könnten diese Rollen/Figuren impulshaft aussehen?
  • Wie können die Rollen/Figuren sich körperlich und sprachlich ausdrücken? Gibt es Schlüsselsätze?
  • Wie stellen wir uns die Biografie der Rollen/Figuren vor?
  • Welche typischen Bewegungen machen die Rollen/Figuren? Wie gehen sie aus der Musik hervor?
  • Wie können Figurenkonstellationen oder Szenen in einem Standbild eingefangen werden?
  • Wie verlassen wir die Rollen/Figuren wieder?
  • Was hat uns bewegt, ist uns aufgefallen, ist bemerkenswert?