Ensembles neu denken

Ein Amateurmusik-Ensemble ist keine starre Angelegenheit. Von der Zielgruppe, über das Format, Probengestaltung, die generelle Ausrichtung bis hin zu Fragen der Inklusion und Partizipation bekommen Sie hier Impulse und neue Anregungen.

Inhalt

Zielgruppen

Ein Ensemble setzt sich aus verschiedenen Gruppen und Persönlichkeiten zusammen. Wie können sich alle einbringen? Wen möchte man zusammenbringen, wen erreichen? Was sollte dabei bedacht werden?

Unabhängig von der Musik, die im Ensemble gespielt werden soll, kann man sich bei neuen Ensemblegründungen fragen, wen man mit dem Musizierangebot ansprechen möchte? Welchen Menschen möchte man den Zugang zur Musik ermöglichen? Die Arbeit an und mit Musik ist emotional und persönlich. Aus Sicht der Leitenden und Initiator*innen ist deshalb die Frage berechtigt, mit welchen Menschen man gerne zusammen Musik machen möchte. Mit welchen Menschen fühlt sich das Musizieren vielleicht sogar leicht an?

Ein Ensemble ist neben einer musikalischen auch immer eine soziale Gemeinschaft. Durch Musik kommt es zu Begegnungen, die Musizierenden lernen sich kennen, teilen Erlebnisse und arbeiten gemeinsam auf Ziele hin. Soll das Ensemble eine bestimmte Zielgruppe ansprechen und ihnen Raum geben für musikalische Erfahrung und künstlerischen Ausdruck? Oder möchte man bewusst eine heterogene Gruppe mit Menschen unterschiedlichen Alters und diversen sozialen und kulturellen Hintergründen?

Jeder Zielgruppe hat individuelle Bedarfe, Bedürfnisse und Vorlieben, die sich auf das Repertoire, die Probenzeit, -Häufigkeit, und -Länge, auf Aufführungen u.v.m. auswirken. Eine Eltern-Kind Musikgruppe kann am Vormittag stattfinden, während sich ein Ensemble für Berufstätige vorwiegend in den Abendstunden trifft. Für Jugendliche können Auftritte und Konzerte persönlichkeitsfördernd und motivierend sein. Sie können sich zudem bei der Organisation und Durchführung mit einbringen. Für Senior*innen oder Menschen mit Demenz sind Aufführungen womöglich mit einem anderen Aufwand verbunden und sollten bedarfsgerecht durchgeführt und geplant werden.

Grundsätzlich ist es ratsam, die Ensemblemitglieder an Überlegungen zu Zukunftsausrichtung, Projektideen und -Vorhaben teilhaben zu lassen und die Möglichkeit zu geben, eigene Vorstellungen und Ideen aber auch Bedenken mitzuteilen und so das Ensembleleben aktiv mitzugestalten. Sowohl bei neuen Formationen wie auch langjährig bestehenden Ensembles sind die Perspektiven aller Beteiligten wertvoll und eine Chance, um Neues entstehen zu lassen.

Impulsfragen

  • Wen möchte ich zum Musizieren begeistern?
  • Welche Gruppen möchte ich durch Musik zusammenführen?
  • Mit welchen Zielgruppen arbeite ich gerne zusammen?
  • Für welche Menschen gibt es meiner Meinung nach zu wenig Musizierangebote?
  • Welche Musik würde die Zielgruppe gerne spielen oder singen?

Ensembleformat

Ensembleformen sind so vielseitig wie die Musik selbst und orientieren sich an den Musizierenden sowie den Zielen des Ensembles. Welche Formate und Charakteristika gibt es hier?

Eine feste Ensemblebesetzung hat einen festen Kern an Ensemblemitgliedern. Die konstante Zusammensetzung erleichtert es, regelmäßige Proben zu vereinbaren und einzuhalten. Dadurch kann sukzessive ein Repertoire aufgebaut und an musikalischen Schwerpunkten, Feinheiten und Zielen gearbeitet werden.

Freiere Besetzungen sind Formen des Ensembles, die nicht zwingend eine konstante Teilnahme an den Musizierangeboten verlangen. Sie zeichnet aus, dass Musizierende flexibler und spontaner agieren können. Der Einstieg für neue Teilnehmende ist offen und meist niedrigschwellig, das musikalische Repertoire wird zugänglich und überschaubar gehalten. Formen der Improvisation eigenen sich hier gut als Ergänzung zu traditionellen Musizierformen.

Projektensembles zeichnet aus, dass sie sich für einen bestimmten Zeitraum treffen und zielgerichtet auf ein konkretes Ziel hinarbeiten. Eine Konzertwoche wird beispielsweise an drei Probenwochenenden einstudiert und im Anschluss aufgeführt. Die Arbeit im Projektensemble ist kompakt, intensiv und gut vorbereitet. Als Rahmung für die Probenphasen können Musikakademien, Musikschulen oder Jugendherbergen angefragt werden.

Selbstverständlich gibt es auch Mischformen der beschriebenen Ensembleformen. Wichtig ist das passende Format für Musizierende und Leitende zu finden. Dieses kann sich mit dem Ensemble verändern. So kann aus einer einst festen Besetzung ein Projektensemble entstehen, weil sich die Bedarfe und Lebensumstände der Musizierenden mit der Zeit gewandelt haben. Aus einer freien Ensembleform kann eine feste Besetzung erwachsen, die sich regelmäßig zu festen Proben treffen möchte.

Impulsfragen

  • In welchem Rhythmus können wir uns als Ensemble treffen und proben?
  • Möchten wir regelmäßig (wöchentlich) proben oder lieber kompakt in Probenphasen?
  • Welche musikalischen Ziele hat das Ensemble und in welcher Form kann es diese erreichen?
  • Besteht das Ensemble aus einem festen Kern oder wechselnden Musizierenden?

Proben

Proben können sehr vielfältig aussehen. Welche inhaltlichen und zeitlichen Aspekte gibt es hier? Welche Räume, Orte und Gruppengrößen können für welche Aktionen und Wirkungen genutzt werden?

Das Proben ist ein wesentlicher Kern des Musizierens. Die Probengestaltung ist deshalb ein guter Ansatzpunkt, um der Ensemblearbeit neue Impulse zu geben. Denn der Probenrahmen, die Inhalte und der Aufbau müssen nicht immer gleich sein.

Jedes Ensemble hat einen bestimmten Probenrhythmus. Man trifft sich wöchentlich, alle zwei Wochen oder einmal im Monat zum Musizieren. Einen Rhythmus beizubehalten ist sinnvoll und gibt dem Ensemble eine Orientierung. Eine bewusste Ergänzung oder Variation des Probenturnus könnte beispielsweise ein Probentag oder ein Probenwochenende sein. Hier kann man auf bestimmte musikalische Themen eingehen, die in der gewohnten Probenzeit untergehen und diese vertiefen. Oder man nutzt die intensive Probenzeit dafür dem anstehenden Konzertrepertoire den letzten Schliff zu geben. Umgekehrt kann ein Projektensemble, das sich nur phasenweise im Jahr trifft, davon profitieren, von der Ensembleleitung in den Zeiten zwischen den Probenphasen regelmäßige Übungsimpulse zu bekommen, um die Motivation und das Interesse am Musizieren aufrecht zu halten. Das könnten einfache Technikübungen sein oder repertoirebezogene Musizieraufgaben.

Das Musizieren im Ensemble hat für viele Amateurmusizierende einen wichtigen Stellenwert. Es ist die Zeit in der sie sich bewusst mit Musik, ihrem Instrument und mit sich selbst auseinandersetzen. Zu den Probeninhalten gehören neben der Erarbeitung des musikalischen Repertoires daher u.a. auch Übungen zur Instrumental- und Stimmtechnik, Gehörbildung, allgemeine musiktheoretische Inhalte oder auch Übungen zur Körperwahrnehmung. In Warm-Ups und Cool-Downs kann Wissen zu gesundem Musizieren vermittelt und die eigene körperliche Wahrnehmung geschult werden. Hörübungen können mit experimentellen Musizierformen kombiniert werden. Lassen Sie auf ein Zeichen das Ensemble gemeinsam einsetzen, ohne tonale Absprache. Diese Übung kann mehrmals wiederholt werden. Wie reagiert das Ensemble? Welche Klangwolken entstehen? Oder wie wäre es eine Probe lang ganz auf Noten zu verzichten und nach Gehör zu singen?

Proben können als Gesamtproben oder in Kleingruppen stattfinden. Zu bestimmten Probenphasen mag es sinnvoll sein mit bestimmten Stimmgruppen einzeln zu proben oder in kleineren Besetzungen. Wenn Sie während einer Gesamtprobe mit Kleingruppen arbeiten möchten, geben sie den anderen Ensemblemitgliedern Beobachtungsaufgaben und binden Sie sie so aktiv mit ein. Oder geben Sie ihnen andere musikalische Aufgaben, an denen sie parallel ohne Leitung arbeiten können.

Im Probenraum finden die häufigsten Ensemblebegegnungen statt. Hier wird gemeinsam musiziert und geprobt, diskutiert und sich unterhalten. Der Raum ist Teil der Ensembleidentität und prägt das Miteinander. Bei Ensemble-Neugründungen sollte man sich deshalb fragen, welchen Ort man für die gemeinsame Musizierzeit wählt. Welche Räume passen zu dem Ensemble? Ist es die lockere Kneipenatmosphäre, in der man auch nach der Probe gerne noch sitzen bleibt, ein Gemeindesaal, das Jugendzentrum eines Stadtviertels, die Probenbühne eines Theaters? Der Wunsch, einen niedrigschwelligen Zugang zum Musikangebot zu ermöglichen, kann sich auf die Wahl des Probenraums auswirken. Der Marktplatz als Probenraum oder ein Musikraum direkt vor Ort im Kiez baut Hürden ab und erhöht die Chance diverse Zielgruppen zu erreichen.

Für bestehende Ensembles kann das Verlassen des gewohnten Probenraums eine inspirierende Abwechslung für das Musizieren sein. Ein Ortswechsel durch eine Probe mit Kirchenakustik oder inmitten einer Fußgängerunterführung verändert die Probenstimmung. Bei gutem Wetter kann man sich ins Freie wagen. Wie wäre es, das einstudierte Repertoire zum Ende der Probe in der Fußgängerzone zum Besten zu geben?

Impulsfragen

  • Welche Inhalte könnte man an einem Probentag oder Probenwochenende behandeln, die im regelmäßigen Probenrhythmus zu kurz kommen?
  • Wann wäre ein Probentag oder ein Probenwochenende für uns hilfreich?
  • Welche Probeninhalte könnten Abwechslung in die musikalische Arbeit geben?
  • Wo probt das Ensemble normalerweise? Wo könnte man noch Proben abhalten?
  • Welche musikalischen Beschäftigungen und Impulse könnte man dem Ensemble geben, um zwischen Probenphasen eigenständig zu üben?

Ausrichtung

Alle Ensembles haben implizit oder explizit eine Ausrichtung. Wie wirkt sich eine klar formulierte Intention auf die Ensembleidentität und -mitglieder aus? Welche Ausrichtungen und Ziele kann es geben?

Ob Ensembleneugründung oder Veränderung bestehender Musikformationen. Es gibt viele verschiedene Stellschrauben, an denen gedreht werden kann, um Ensembles neu zu denken. Dabei muss das Rad nicht komplett neu erfunden werden muss. Eine Drehung hier und da kann schon den nötigen frischen Wind geben.

Jedes Ensemble hat implizit oder explizit eine Intention, die die Ensemblearbeit prägt. Im Englischen spricht man allgemein von purpose, einer Absicht. Das Verständigen auf diese gemeinsame Ausrichtung hilft dabei, sich mit dem Ensemble zu identifizieren und sich möglicherwiese von anderen Gruppen zu unterscheiden. Sowohl bei Neugründungen als auch in Phasen, in denen die Motivation leidet, stärkt die Rückbesinnung auf die Intention das Zugehörigkeitsgefühl. Die Absichten und Ziele von Ensembles können dabei sehr verschieden sein.

Viele Ensembles haben eine musikbezogene Intention. Ein Ensemble der Alten Musik hat beispielsweise die Absicht, eine bestimmte Musik- und Musizierform zu vertreten und für andere sichtbar zu machen. Andere widmen sich bestimmten Komponist*innen oder Genres. Eine Intention kann sich auch an die Musizierpraxis richten. So kann es eine Gemeinsamkeit sein, Musik anders zu erleben als bisher, woraufhin man grundsätzlich auf Noten verzichtet, ein Improvisationsensemble gründet oder nicht mit festen Leitenden, sondern mit wechselnden Coaches probt.

Ensembles besitzen oft auch Intentionen über die Musik hinaus. Das Fördern von Gemeinschaft oder Begegnung, Kulturaustausch, Inklusion, Gesundheit und Vitalität. Auch auf gesellschaftliche und politische Themen hinzuweisen, kann Ensembles oder Bands einen Sinn geben und Grund sein für das gemeinschaftliche Musizieren.

Bei der Suche und Erarbeitung der Ausrichtung ist es ratsam alle Ensemblemitglieder mit in den Prozess einzubinden. So entsteht am Ende ein purpose, welcher als Orientierung von allen Beteiligten vertreten wird und dadurch den Zusammenhalt stärkt.

Impulsfragen

  • Warum sollte es dieses Ensemble geben? Wozu ist es gut?
  • Was zeichnet uns aus? Was unterscheidet uns möglicherweise von anderen Ensembles?
  • Was wollen wir bewirken?
  • Was verbindet uns als Gemeinschaft?
  • Was ist uns wichtig? Worauf legen wir besonderen Wert?
  • Was bedeutet das Ensemble für mich?
  • Welchen Zweck erfüllt das Musizieren? Das Ensemble?

Community Music und Inklusion

Musizieren in der Gruppe fördert das Zusammengehörigkeitsgefühl und stärkt dabei auch die Einzelpersonen. Welche Formen der Community Music gibt es und an wen richtet sie sich? Wie profitieren Vereine davon?

Dass über das Musizieren eine starke Gemeinschaft entsteht, kann in jedem Ensemble und Musikprojekt erlebt werden. Community Music macht sich diesen Effekt zunutze: Hier musizieren verschiedene soziale Gruppen und Einzelpersonen – über das gemeinsame Musikmachen entsteht Wertschätzung und ein Gemeinschaftsgefühl. Die Projekte richten sich entweder gezielt an benachteiligte Menschen und geben ihnen die Chance zur Musikerfahrung, oder sie ermöglichen die Begegnung verschiedener Gruppen.

Gleichermaßen steht jedoch auch eine musikalische Entwicklung im Fokus. Die Leitung übernimmt dabei eher eine beratende und befähigende Position: Sie unterstützt die Teilnehmenden gemäß ihren Bedürfnissen und bietet Aspekte der Mitbestimmung an. Community-Music-Projekte setzen oft keine musikalische Vorbildung voraus. Sie schließen beispielsweise folgende Zielgruppen ein: Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen, Generationen oder sozialen Schichten, Menschen mit Behinderung oder anderen besonderen Bedürfnissen, Menschen mit Hemmungen zum Musizieren, Menschen in Lebensgemeinschaften wie Nachbarschaften, Regionen oder Stadtteile u.v.m.

Neben den Teilnehmenden profitieren auch Vereine, Ensembles, Institutionen und Leitende von Community-Music-Angeboten. Zunächst können so neue Ensembles gegründet und neue Zielgruppen erreicht werden, mehr Menschen musizieren und werden Teil des Vereins oder der Institution. Derartige Projekte können oft auch als Einstieg für weiterführende Angebote dienen und beispielsweise benachteiligten Kindern oder Menschen mit Singhemmung langfristig Lust aufs Musizieren machen. Darüber hinaus wird auch der Verein oder die Institution vielfältiger, Leitende und Ensembles lernen multikulturelles Repertoire und andere Musikpraxen kennen und wachsen in der Begegnung. Über ein Community-Music-Projekt kann auch der erste Kontakt zu Musiker*innen aus anderen Kulturkreisen entstehen, die sich anschließend selbst im Verein oder der Institution engagieren. Durch die Vielfalt im Angebot und unter den Teilnehmenden erhält der Verein ein Alleinstellungsmerkmal, wird in der Öffentlichkeit positiv wahrgenommen und gewinnt auch ein vielfältiges neues Publikum. Er vernetzt sich in der Stadtgesellschaft oder Region mit sozialen Einrichtungen, Verbänden, Künstler*innen und Pädagog*innen und gewinnt an Präsenz.

Community Music kann in vielen verschiedenen Formen stattfinden. Zum einen als zielgerichtetes Projekt für eine bestimmte Gruppe, etwa ein Songschreibe-Workshop im Brennpunkt-Jugendzentrum oder ein Chor mit Geflüchteten. Zum anderen kann das Projekt eine Begegnung in den Mittelpunkt stellen und mehrere Gruppen zusammenbringen, beispielsweise in einem Mehrgenerationenchor, einem Musiktheater-Projekt mit Hörenden und Hörgeschädigten oder einem offenen Singen sonntagnachmittags am Rathausplatz. Hier haben sich auch Partnersysteme bewährt, in denen jede Person eine*n Partner*in aus der anderen Gruppe erhält, um so von Anfang an eine Bezugsperson zu kennen, aber auch um ein ausgewogenes Verhältnis der Gruppen sicherzustellen.

Als Formate bieten sich Workshops, Kurse und Projektensembles an, auf die jedoch langfristige Angebote aufbauen sollten. Genauso Neugründungen von Ensembles, Neuausrichtungen von bestehenden Ensembles sowie offenes Musizieren, das im öffentlichen Raum niedrigschwellig zum spontanen Mitmachen einlädt und/oder regelmäßig jedoch ohne Verbindlichkeiten stattfindet.

Impulsfragen

  • Welche sozialen Gruppen sind in unserem Verein/Ensemble vertreten?
  • Welchen Gruppen möchten wir begegnen?
  • Welche Bedürfnisse und Interessen haben diese Gruppen?
  • Welche Bedürfnisse und Interessen haben wir?
  • Wo besteht die Schnittmenge unserer Interessen?
  • Wem wünschen wir die Möglichkeit der Ensembleerfahrung?
  • In welcher Form könnten wir ein Community-Music-Projekt durchführen oder langfristig etablieren?
  • Mit welchen Institutionen könnten wir dafür kooperieren?

Partizipation

In der partizipativen Ensemblearbeit übernehmen Ensemblemitglieder Verantwortung. Wie können Leitende, Vorstände und Mitglieder sich gemeinsam strukturell einbringen? Wie können Ensemblemitglieder kreative Prozesse mitgestalten?

Junge Menschen haben heutzutage ein Interesse daran, ihrem Handeln einen Sinn zu geben und damit ihre Lebenswelt mitzugestalten. Sie wollen nicht nur mitmachen, sondern miterschaffen, ihre Fähigkeiten und Interessen einbringen und Verantwortung übernehmen. Dieses Engagement kann die moderne Ensemblearbeit für sich nutzen indem sie ihren Mitgliedern Möglichkeiten bietet, an Entscheidungen und Entwicklungen teilzuhaben und so das Ensembleleben aktiv mitzugestalten. Lässt man sich auf solch eine partizipative Arbeit ein, wird der Zusammenhalt und die Ensemble-Identität gestärkt. Die Verantwortung wird auf mehrere Schultern verteilt und das kann sowohl die musikalische Leitung als auch die Ehrenamtlichen entlasten.  

Die Mitgestaltungsmöglichkeiten sind dabei vielseitig. Man sollte sich nicht scheuen, den Partizipationsgedanken auch auf musikalischer Ebene zuzulassen. Das Ensemble kann in die Repertoireauswahl oder die Konzertthemen des nächsten Jahres mit einbezogen werden. Auf dieser Grundlage können anschließend in unterschiedlichen Arbeitsgruppen (AGs) Aufführungen weiter ausgestaltet werden. Welchen Rahmen soll es für das Repertoire geben? Gibt es einen Ausschank? Wie könnte das Plakat aussehen? Laden wir noch andere Ensembles ein mitzumachen? Für solche Ideensammlungen, Abstimmungen oder Meinungsbilder eignen sich häufig digitale Tools, welche im Beitrag Digitales Projektmanagement erfolgreich umsetzen näher beschrieben werden.

Das gesamte Ensemble kann auch in ganz grundsätzliche Entscheidungen eingebunden werden wie beispielsweise bei der Frage, an welchen musikalischen Schwerpunkten zukünftig gearbeitet werden soll. Ein Austausch auf Augenhöhe über Wünsche und Erwartungen ist für die Leitung wie auch das Ensemble bereichernd und deckt Unterschiede wie Gemeinsamkeiten auf. Langfristig steigern diese Gespräche über die grundlegende Ausrichtung die musikalische Zufriedenheit. Denn aus dem Austausch lassen sich musikalische Ziele vereinbaren und gemeinsame Projekte entwickeln. Vielleicht entsteht daraus der Wunsch, als Ensemble an bestimmten Workshops teilzunehmen, neue Konzertformate zu versuchen oder mit bestimmten Organisationen oder Künstler*innen eine Kooperation zu initiieren. In jedem Fall werden verdeckte Interessen und Fähigkeiten sichtbar, das Ensemble-Bild wandelt sich und die Ensemble-Richtung wird geschlossen eingeschlagen. 

An dem Ensembleleben teilhaben lassen kann man auch durch Partizipation an Projekten über die musikalische Arbeit hinaus. Das Ensembleleben und der Gruppenzusammenhalt werden neben der musikalischen Arbeit auch geprägt von Events, Veranstaltungen und Abenden bzw. Tagen, die dem Ensemble Gemeinschaftserlebnisse bescheren. Die Organisation von Musikabenden, Freizeiten, Konzertfahrten, Partys, Filmabenden, Wanderungen und Ausflügen kann das Ensemble aus sich heraus durchführen. Sind alle Mitglieder von der Idee bis zur Durchführung an dem Projekt beteiligt, stärkt das die Identifikation mit dem Vorhaben und steigert die Wahrscheinlichkeit, dass das Vorhaben als gelungen wahrgenommen wird. Das Ensemble lernt dabei miteinander zu arbeiten und auszuhandeln. Einzelne Mitglieder können sich mit Fähigkeiten und Interessen einbringen, die bei einer Probe möglicherweise ungesehen bleiben. Auch hier helfen AGs, die sich eigenständig organisieren und sich miteinander absprechen. Wichtig hierbei ist, alle AGs und Arbeitsfelder gleich wertzuschätzen, denn jede einzelne AG trägt zum Gelingen bei. 

Zur Entlastung des Ehrenamts kann ebenfalls hilfreich sein, das gesamt Ensemble mit einzubinden. Partizipation bei der Vereinsarbeit als Lösungsansatz für strukturelle Herausforderungen eröffnet neue Perspektiven und ermöglicht es, alte Vereinsmuster aufzubrechen. So kann das Ensemble miteinbezogen werden in eine Ideensammlung für die Nachwuchs- und Publikumsgewinnung oder die Öffentlichkeitsarbeit. Bei Veränderungsprozessen wie einem Leitungswechsel ist es ratsam, das Ensemble transparent teilhaben zu lassen. Damit gibt man allen Betroffenen die Möglichkeit, Bedenken, aber auch Vorschläge konstruktiv zu äußern und an dem Prozess aktiv beteiligt zu sein. In Veränderungsphasen oder Neugründungen können Formate wie eine Zukunftswerkstatt dabei unterstützen, sich für die Herausforderungen Zeit zu nehmen, über die Intentionen und Motivationen des Ensembles zu sprechen und gemeinsam neue Perspektiven zu entwickeln. 

Durch eine partizipative Ensemble- und Vereinsarbeit werden die Stärken aller Vereins- und Ensemblemitglieder sichtbar und können genutzt werden. Der Zusammenhalt wächst, weil Schwächen der einen vom Interesse einer anderen Person aufgefangen werden. Es fühlen sich alle gesehen und merken, dass sie bedeutsam sind für die Gemeinschaft. Die Chance für alle sich einzubringen, lässt ganz individuelle, ensemblespezifische Projekte, Lösungen und Strukturen entstehen. 

Was braucht es nun für eine partizipative Ensemblearbeit? Eine Veränderung des Leitungs- und Organisationsziels braucht Zeit und die Bereitschaft, bestehendes weiterzuentwickeln. Rollen müssen neu gefunden werden, AGs gegründet, Kommunikationswege aufgebaut und erprobt werden. Vereinsverantwortliche können eine moderierende Rolle einnehmen und Initiator*innen sein für einen ersten Versuch, gemeinsam auf Augenhöhe zu gestalten. Es muss nicht alles von jetzt auf gleich verändert werden. Bei welchem konkreten Vorhaben ließe sich ein Versuch starten gemeinschaftlich zu arbeiten? Ist es ein nächstes Konzert? Ein Ausflug? Die Öffentlichkeitsarbeit? 
Eine andere Möglichkeit ist es, eine erste Probe dafür zu nutzen, um eine Übersicht der Interessen und Stärken des Ensembles zu erstellen. Stärken, die zueinander passen, werden zusammengelegt und Überbegriffe gefunden. Die entstandenen AGs erarbeiten anschließend Ideen und Vorschläge für ihre Mitgestaltung des Ensembles. 

Die Geduld bei der Ensembleentwicklung hin zu mehr Partizipation lohnt sich. Durch die partizipative Zusammenarbeit wird das Ensemble stabiler, die einzelnen Mitglieder fühlen sich zugehörig und nehmen sich als einen nachhaltigen Teil des Vereins wahr. Die Teilhabe aller Ensemblemitglieder entlastet das Ehrenamt und verteilt Verantwortungen und Aufgaben auf viele Schultern. Dadurch wird auch die Vereinsarbeit transparenter und es entsteht ein neues Gemeinschafts- und Vertrauensgefühl. Es gibt hier im Amateurmusikportal weitere Tipps und Hilfestellungen zum Thema Partizipation im Ensemble, welche durch aktives mitwirken, mitbestimmen und mitgestalten aller Ensemblemitglieder gelebt werden kann.