Gesellschaftliches Engagement im Ort – Beispiele und Möglichkeiten

Auch im eigenen Ort, der eigenen Stadt oder Kommune gibt es zahlreiche Möglichkeiten, sich gesellschaftlich zu engagieren. Der folgende Artikel soll als Inspiration dienen und zur aktiven Mitgestaltung unserer Gesellschaft ermutigen – musikalisch, aber auch darüber hinaus.

In der Lebensrealität vieler Menschen, die von zunehmenden Krisen und Konfliktherden geprägt ist, ist es wichtig, nicht zu vergessen, dass wir Menschen seit jeher Gemeinschaftswesen und keine Einzelindividuen sind. Eine gelebte Demokratie und eine florierende Gesellschaft, die alle mitnimmt und Verbindung schafft, anstatt zu spalten, gelingt nur durch die Teilhabe und das Engagement jeder/jedes Einzelnen.

Inhalt

Warum gesellschaftliches Engagement so wichtig ist

Die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt belegt, dass sich über 29 Millionen Menschen in Deutschland ehrenamtlich engagieren. Und das aus vielen guten Gründen: Weil sie der Gesellschaft etwas zurückgeben möchten, weil sie anderen Menschen helfen wollen oder einfach, weil es ihnen Spaß macht und eine Bereicherung darstellt! Ehrenamt und freiwilliges Engagement spielen eine zentrale Rolle bei der Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Gerade in ländlichen Regionen hat freiwilliger Einsatz eine besondere und oftmals lange Tradition, beispielsweise in einem Musik- oder Gesangsverein, bei der Freiwilligen Feuerwehr oder anderen örtlichen Vereinen. Wer sich ehrenamtlich engagiert, trägt aktiv zu einem gelingenden Miteinander und zur Lebensqualität bei.

Auch eine aktuelle Umfrage von infratest dimap im Auftrag der ARD (Veröffentlichung: November 2022) hat, repräsentativ für die Wahlberechtigten in Deutschland, insgesamt 1.211 Menschen befragt und kommt zu dem Ergebnis, dass die mit Abstand wichtigste Institution für das „Wir-Gefühl“ in Deutschland Sportvereine sowie Kultur- und Freizeiteinrichtungen sind. Dazu gehören auch die Ensembles der Amateurmusik. Mehr als drei Viertel der Befragten sehen hier den Ort, an dem gesellschaftlicher Zusammenhalt entsteht. Auch der Ergebnisbericht Gemeinsames Musizieren – gesellschaftlich unverzichtbar der Studienautorin Natalie Röse zum Ensemblemusizieren während der Corona-Pandemie verdeutlicht die gesellschaftliche Bedeutung der Amateurmusik in Deutschland. Amateurmusizieren heißt Partizipation und Engagement und eine Mitwirkung von Personen in Amateurmusikensembles kann das „Soziale Kapital“ einer Gesellschaft steigern.

Wenn das Ensemble nach der Probe oder am Abend gemütlich zusammenkommt und auch gesellschaftsrelevante Themen zur Sprache kommen, ist es wichtig, dabei immer einen offenen und ehrlichen Diskurs zu wahren, indem alle aufrichtig zuhören, ihre Meinungen äußern können und auch verschiedene Sichtweisen akzeptiert werden können. Das entspricht gelebter Demokratie.

Chancen und Potentiale für Amateurmusikensembles und Vereine

Durch gemeinsames Musizieren können in Amateurmusikensembles besonders viele positive Aspekte erzielt werden, z.B. die Förderung von Gemeinschaft, Empathie und Zusammenhalt, die Stärkung generationsübergreifender Gemeinschaft und interkulturellen Austausches. Gemeinsames Musizieren wirkt Vereinsamung entgegen und kann bei der Bewältigung von Herausforderungen und Krisen unterstützen sowie die Resilienz stärken. Diese und weitere Vorteile des Musizierens finden sich auch in den Positiven Aspekten des Musizierens des Kompetenznetzwerks NEUSTART AMATEURMUSIK zu den Themenfeldern Bildung, Gesundheit und Gemeinschaft wieder.

Als Amateurmusikensemble können auch Vernetzungen mit anderen Vereinen oder örtlichen Institutionen weitreichende Synergien schaffen. Dadurch können, z. B. in Form bestimmter Projekte oder Veranstaltungen, die gemeinsam initiiert und durchgeführt werden, positive Aspekte und Potentiale, auch über das eigene Amateurmusikensemble hinaus, gehoben werden. Die aktive Mitwirkung und Mitgestaltung im örtlichen Leben führen gleichzeitig zu mehr Sichtbarkeit und es kann Kontakt mit Nachwuchs und potentiellen neue Mitgliedern zustande kommen. Die persönliche Ansprache und der direkte Kontakt stellen die beste Möglichkeit für die Mitgliedergewinnung dar. So kann ich ganz nebenbei herausfinden, dass die Kirchenvorsteherin früher viel Trompete gespielt hat, der Kindergartenmitarbeiter ein leidenschaftlicher Sänger ist oder Leute aus dem Ort ganz neu für die Mitwirkung im eigenen Ensemble begeistert werden können. Zusammengefasst ist gesellschaftliches Engagement eine Win-Win-Situation und führt gemeinsam zu einem freudigen, glücklichen und (sinn)erfüllten Leben.

Was für die Amateurmusikensembles gilt, gilt auch für andere Vereine

Ob es der lokale Fußballverein, die Freiwillige Feuerwehr, der Trachtenverein ist: Vereinsarbeit verbindet, schafft Netzwerke, Freundschaften und hat dabei einen demokratischen Charakter. Auch Automobil- oder Schachclubs, Kaninchenzüchterverein – Menschen kommen in Vereinen zusammen und engagieren sich in ihrem Wohnort. Fast jeder zweite Deutsche ist Mitglied in mindestens einem Verein, so die Umfrage des ZiviZ-Surveys 2017 („Zivilgesellschaft in Zahlen“) mit mehr als 6.300 gemeinnützigen Organisationen. Vereine können darüber hinaus auch eine wertvolle Anlaufstelle für Migrant*innen oder Geflüchtete sein und sind zudem oft auch Ort des gesellschaftlichen Austausches. Da politische Aktivitäten die Gemeinnützigkeit von eingetragenen Vereinen gefährden können, beachten Sie auch den Artikel zu Politischem Engagement von Vereinen.

Beispiele und Möglichkeiten für Chöre und Orchester, sich gesellschaftlich zu engagieren

Hinweis: Bitte bedenken Sie bei finanziellen Transaktionen aller genannten Beispielen unbedingt Ihre Vereinssatzung bezüglich der Gemeinnützigkeit, um diese nicht zu gefährden.

  • Amateurmusikensembles oder /-vereine können über Wohltätigkeitskonzerte oder andere Aktionen Spenden sammeln, z.B. für die Orgelsanierung, den hiesigen Kindergarten, Kita oder Grundschule oder sich aktiv bei der Geflüchteten-Hilfe, Naturschutzprojekten oder weitere Hilfseinrichtungen einbringen. Hier sind vielfältige Optionen denkbar. Es besteht im Rahmen der Abgabenordnung (AO) § 58 die Möglichkeit der Abgabe von Spenden an steuerbegünstigte Institutionen.
  • Amateurmusikensembles oder /-vereine können beim lokalen Gemeindefest, bei Events und Festen anderer örtlicher Vereine unterstützen und mithelfen (z.B. als Bedienung oder Thekendienst, Kuchen backen, …). Auch das Musikalische muss dabei nicht zu kurz kommen. So kann gemeinsam ein Prosit angestimmt werden, im Rahmen des Tagesprogramms oder von Festakten ein musikalisches Ständchen dargeboten werden und ein Auftritt von Chor oder Orchester erfolgen.
  • Amateurmusikensembles oder /-vereine können diverse Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche schaffen und anbieten, z. B. eine Ferienfreizeit, einen Schnupperkurs für Instrumente, musikalische Früherziehung, eine Keyboard-/ Trommel- oder Flötengruppe, ein Kindermusical, Naturwanderungen. Weitere grundsätzliche Infos zu diesem Thema finden Sie in unserem Artikel zur Jugendarbeit. Interdisziplinär bzw. weitergedacht sind, z.B. Tanzgarden verschiedener Altersklassen, die an Karnevalsveranstaltungen oder anderen (auch) vereinseigenen Veranstaltungen auftreten, eine Theatergruppe, Kreativ- oder Malkurse denkbar. Am besten ist es, diese Zwecke, falls relevant, auch in der Vereinssatzung zu regeln.
  • Amateurmusikensembles oder /-vereine können auch außermusikalische Events und Veranstaltungen, also über den klassischen Liederabend, Gestaltung von Festen und Feiertagen oder das Jahreskonzert hinaus, anbieten. Wie wäre es zur Erschließung neuer Zielgruppen z. B. mit einem Dartsabend, einem Tischkicker-Turnier, einem Skatturnier, einem gemeinsamen Koch- oder Verkostungsabend, einer Motto-Wanderung, einer Sommer-/Beachparty, einem Oktoberfest oder eine Karnevalsveranstaltung? Oder haben sie kreative Köpfe, die ein Theaterstück einproben oder zu einem Improvisationstheaterabend einladen wollen? Überall dort können sich Ensemblemitglieder mit ihren weiteren Interessen und Talenten einbringen und es werden neue Räume der Begegnung, der Gemeinschaft, der Geselligkeit und des Austauschs geschaffen – und vielleicht werden auch neue Mitglieder und Interessierte für das Ensemble unter den Teilnehmenden entdeckt?
  • Amateurmusikensembles oder /-vereine können vor allem auch Menschen, die es in unserer Gesellschaft nicht so einfach haben, mit verschiedensten Aktionen und ihrem Engagement unterstützen und erfreuen, z. B. mit einem Ständchen im Seniorenheim, einem Platzkonzert vor dem Krankenhaus oder einem Geflüchteten-Wohnheim, bei besonderen Veranstaltungen oder Festen mit einem Essens-Lieferservice für Leute, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, u. v. w. Schauen Sie dazu gerne auch die Artikel zu Öffentlichen Innenräume für Veranstaltungen mieten und Straßenmusik leicht gemacht an.
  • Besonders viel Mehrwert schaffen Vernetzungen. Dabei werden viele verschiedene Personen weit über das eigene Ensemble hinaus eingebunden, es können neue Freundschaften und Bekanntschaften auch über Generationen und unterschiedliche Herkunft hinaus entstehen, Synergien gehoben werden und eine viel breitere Zielgruppe erreicht und adressiert werden. Das können musikalische Vernetzungen sein, z. B. indem ein bekanntes Ensemble engagiert und eingeladen wird, ein Musical gemeinsam mit einer Behindertenwerkstatt aufgeführt wird, eine Kombination von Musikvortrag und Comedy, Musik und Kunst, z. B. in thematischen Ausführungen, Musik und sportlicher Betätigung, Musik und Tanz, Musik und Integration, Musik und Kindern, Musik und Senior*innen etc.
  • Gibt es Weltenbummler*innen, Personen mit spannenden Jobs, Kontaktpersonen oder Menschen aus anderen Kulturen, Künstler*innen etc. in den eigenen Reihen oder bestehen Kontakte? Was spricht dagegen, sie oder ihn einfach mal anzusprechen, ob er/sie einen kurzen Vortrag darüber halten will? Das erweitert den eigenen Horizont sowohl für das Ensemble als auch darüber hinaus, wenn die Veranstaltung für Externe geöffnet wird. Vielleicht entsteht sogar eine kleine Vortragsreihe mit aufeinander aufbauenden Themen oder zu zusammenhängenden Impulsen mit gleichbleibendem Motto (z.B. Weltreise, Wissenswertes, Wendepunkte).
  • Um unsere schöne Natur zu bewahren, ist es eine tolle Aktion, gemeinsam mit dem Ensemble im eigenen Ort, auf Straßen, an zentralen Plätzen oder in Wäldern Müll aufzusammeln, vielleicht kombiniert mit einer informativen Kräuterwanderung, dem Pflanzen von Bäumen oder der Begrünung in und um den Probenraum mit bepflanzten Kübeln oder Blühstreifen. Und vielleicht gibt es im Ensemble auch eine*n (Hobby-)Schreiner*in, der/die Freude daran hat, ein Vogelhaus, eine Bank oder etwas anderes herzustellen, was der Gemeinschaft zu Gute kommt?
  • Beschäftigen Sie sich in ihrem Ensemble unbedingt mal mit den Themen Inklusion (z.B. Handout zu Ausgefuchst!-Veranstaltung vom 12.10.2022 zum Thema: Inklusion im Ensemble – Gerne , aber wie?) und Rassismus[1]. Hier gibt es unglaublich viele Potentiale und Möglichkeiten, um sich gesellschaftlich zu öffnen und zu engagieren und ganz nebenbei auch sehr bereichernde neue Mitglieder zu gewinnen. Dabei müssen die eigenen Denkmuster hinterfragt werden. Oft reicht es schon aus, sich im Ensemble der eigenen Privilegien bewusst zu werden und Bewusstsein zu schaffen, wann Menschen oder Personengruppen, z.B. durch Sprache, Traditionen o. a. ausgeschlossen werden. Sprachliche Ausgrenzung in Texten oder auch in der täglichen Kommunikation lässt sich leicht durch gendergerechte Sprache[2] und durch diskriminierungssensible Sprache[3] beheben.
  • Gesellschaftliches Engagement hat neben ehrenamtlichen Vereinsvorständen, Kassierenden, Schriftführer*innen, Jugendwart*innen, Social-Media-Beauftragten etc. viele Formen und Gesichter. Sei es die Person, die ehrenamtlich seit Jahren ohne großes Aufsehen immer das Vereinsheim putzt, die Person, die Fahrdienste für Kinder, Menschen mit Behinderung oder Senior*innen anbietet, die Person, die auf neue Bewohner*innen und Geflüchtete zugeht und sie mit zum nächsten lokalen Fest oder zur Veranstaltung nimmt, seien es engagierte Ensemblemitglieder, die neue Ideen voranbringen, Kooperationen anstoßen, sich bei der Orga und Durchführung von Veranstaltungen mit Herzblut einbringen.

Weitere Beispiele und Möglichkeiten, sich über das Ensemble hinaus gesellschaftlich zu engagieren

Um in diesem Artikel einen möglichst umfassenden Blick des gesellschaftlichen Engagements abzubilden, folgen nun noch weitere Möglichkeiten[4], wie sich jede*r Einzelne persönlich gesellschaftlich engagieren und einbringen kann.

  • Ein Klassiker des persönlichen, gesellschaftlichen bzw. politischen Engagements ist die aktive Mitwirkung in einer Partei. Dabei handelt es sich wohl um den direktesten Weg, um Politik aktiv mitzugestalten. Sei es in der aktiven Beteiligung in der Hochschule, auf kommunaler Ebene, im Landkreis oder der Bundespolitik.
  • Zudem gibt es nationale oder internationale NGOs (Nichtregierungsorganisationen), welche sich auch oft mit regionalen Gruppen vernetzen und über Flyer, Veranstaltungen, Flashmobs, Spenden, u. v. w. auf wichtige gesellschaftliche Themen und Anliegen hinweisen, z.B. Klimaschutz, Naturschutz, Datenschutz.
  • Auch religiöses Engagement ist in Deutschland noch häufig anzutreffen und sucht oft händeringend Unterstützer*innen. Sei es für die Planung und Durchführung von Kinderausflügen, Gemeindefesten oder der Mitgestaltung im Gottesdienst. 
  • Überparteiliches Engagement kann des Weiteren durch Einbringen in Gewerkschaften erfolgen. Gewerkschaften sind auch oft im arbeitspolitischen Kontext anzutreffen.
  • Vielmals kommt es im Bereich Bildung und Kultur auch zur Gründung von Fördervereinen, die die Interessen und Themen der Vereine gezielt, vor allem auch finanziell, voranbringen können und die vielmals benötigte Anschaffungen aus ihrem Etat tätigen.
  • Als Brücke zwischen Bürger*innen und Politik*innen gibt es zudem zahlreiche Stiftungen, welche zum Ziel haben, als Dialogplattform die Demokratie zu fördern. Dort ist einerseits ein Mitgestalten oder eine Teilnahme bei Veranstaltungen oder Seminaren möglich oder es werden auch oft sog. Studienstipendien vergeben.

Fazit

Die Möglichkeiten, sich im eigenen Ort zu engagieren, sind also sehr vielfältig! Neben den zuletzt genannten klassischen politischen Wegen ist vor allem eine gelebte örtliche Gemeinschaft wichtig und Vernetzungen von Amateurmusikensembles mit anderen Akteuren stellen eine große Chance dar. Auch für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bieten sich dabei gute Möglichkeiten zur Mitgliedergewinnung, indem über das vielfältige gesellschaftliche Engagements des Ensembles öffentlich und werbewirksam berichtet wird. Das kann über Pressemitteilungen, auf der eigenen Homepage oder in den sozialen Medien wie Facebook oder Instagram erfolgen.

Johanna Mörmel
Bundesmusik Verband Chor & Orchester e.V. (BMCO)
Erstellt: Januar 2023
Zuletzt überprüft: April 2023

Fußnoten

[1] z. B. Hörbuch „Exitracism “ von Tupoka Ogette. Das Hörbuch ist auf allen gängigen Plattformen verfügbar.

[2] z. B. Richtig Gendern wie geht das?

[3] z. B. Glossar von Amnesty International

[4] https://politikorange.de/2017/08/gesellschaftliches-engagement-was-gibts-fuer-moeglichkeiten