Konzerte mit geringer Ansteckungsgefahr planen

Die letzten Jahre haben uns sensibilisiert für den Umgang mit ansteckenden Krankheiten und geeigneten Hygienemaßnahmen. Daher sollten wir einige Strategien, welche sich in Corona-Zeiten bewährt haben, weiter im Blick behalten. 

Auch wenn die ganz akute Bedrohung durch die Pandemie vorerst abgewendet scheint, so stellen uns doch die regelmäßig im Herbst und Frühjahr auftretenden Erkältungswellen mit einer erhöhten Ansteckungsgefahr immer wieder vor gewisse Herausforderungen. Dennoch wollen wir natürlich auch in dieser Zeit nicht auf öffentliche Aufführungen mit unseren Ensembles verzichten.

Inhalt

Wie lang sollte das Programm maximal sein? 

Wie wir inzwischen wissen, stellen Aerosole die größte Ansteckungsgefahr bei Corona und auch anderen viralen Infektionskrankheiten dar.

Daher hängt diese Frage ganz maßgeblich von der Größe und den Lüftungsmöglichkeiten ihres Konzertraumes ab. In einem großen und hohen Raum, vielleicht sogar mit moderner Lüftungsanlage, kann man natürlich länger ohne großes Ansteckungsrisiko gemeinsam musizieren als im heimischen Wohnzimmer.  

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Art des Musizierens. Beim Musizieren im Streichquartett kommt es zu einem wesentlich geringeren Aerosol-Ausstoß als bei einem Bläserensemble oder beim Chorgesang. 

Eine gute Orientierung bieten hier Modellrechner, mit deren Hilfe anhand von Parametern wie Raumvolumen, Personenzahl, Aktivität und Belüftungsmöglichkeit das Infektionsrisiko durch Aerosole abgeschätzt werden kann. Mehrere solcher Modellrechner sind inzwischen online, zum Beispiel vom Hermann-Rietschel-Institut der TU Berlin oder vom Max-Planck-Institut für Chemie . Auch das Kompetenznetzwerk NEUSTART AMATEURMUSIK hat einen Modellrechner zur Abschätzung der Ansteckungswahrscheinlichkeit (Excel) erstellt.

Unabhängig von der Ansteckungsgefahren sollte nach ca. 60 Minuten das Konzert beendet bzw. eine Pause eingelegt werden. Langjährige Erfahrungen von Theatern zeigen, dass spätestens nach dieser Zeitspanne die Konzentration des Publikums rasch nachlässt. 

Sollte man mit oder ohne Pause planen? 

Natürlich ist es reizvoll, die Programmdauer zu verlängern, indem man eine Pause einplant. Aus dramaturgischer Sicht kann dies manchmal sogar besonders sinnvoll sein, wenn etwa unterschiedliche Stilistiken, Zeitepochen, Genres oder Besetzungen präsentiert werden. Auch die Tatsache, dass zu einem rundum gelungenen Konzerterlebnis für viele ein angeregtes Pausengespräch einfach dazugehört, ist durchaus ein akzeptabler Grund.

Schließlich gibt es auch technische Gründe, die eine Pause zum Beispiel für Umbauten hilfreich oder gar notwendig machen. Bei einem Chorkonzert hat man es häufig mit der Herausforderung zu tun, dass für die Ausführenden keine Sitzmöglichkeiten vorhanden sind und der Chor die gesamte Konzertdauer überstehen muss. Ein A-cappella-Programm ließe sich aus dieser Sicht also sowohl in zwei kleineren Konzerthälften mit Pause als auch einteilig mit instrumental unterbrochenen Programmblöcken planen. Wäre da nicht das Risiko der Pause… 

Je nach den Gegebenheiten des Konzertraumes kann eine Pause sinnvoll genutzt werden, um mehr oder weniger gründlich zu lüften. Studien haben aber gezeigt, dass der Aerosolgehalt im Raum durch Stoßlüften allein, abhängig auch vom Temperaturunterschied zwischen Innen- und Außenluft, nicht vollständig abgebaut werden kann. Nur eine moderne Lüftungsanlage mit Frischluftzufuhr kann einen kompletten Luftaustausch leisten. Eine etwaige zweite Konzerthälfte muss daher in jedem Fall kürzer geplant werden. 

Was Sie jedoch auf keinen Fall außer Acht lassen sollten, ist die Disziplin Ihres Publikums.  

In der Pause kommt es erfahrungsgemäß am ehesten zu Verletzungen der Abstands- und Hygieneregeln. Da wird beim Verlassen des Platzes der Mund-Nasen-Schutz vergessen oder im lebhaften Gespräch der Abstand nicht eingehalten. Das ist völlig normal und menschlich, stellt aber in Zeiten von erhöhtem Infektionsaufkommen ein gewisses Risiko dar.

Alternativ kann mit einer möglichst kurzen Umbau- und Lüftungspause geplant werden, bei der das Publikum auf seinen Plätzen bleibt. Eventuell hilft ein/e Moderator*in, diese Zeit zu überbrücken.  

Welche Werke eignen sich für die Erkältungszeit und wo finde ich sie?

Bei strikten Abstandsregelungen, wie sie in Zeiten der Pandemie vorkamen, lässt sich Gustav Mahlers „Sinfonie der Tausend“ kaum aufführen. Aber auch unabhängig von Corona kann sich ein etwas größerer Abstand zwischen den Musizierenden in der Erkältungszeit als sinn-voll erweisen. Abhängig von der Größe Ihres Konzert- oder Probenraumes können Sie so allerdings nur in mehr oder weniger kleiner Besetzung musizieren. Das ist einerseits bedau-erlich, birgt aber andererseits die Chance, sich neu zu orientieren und sich ein anderes, viel-leicht auch ungewohntes Repertoire zu erschließen. So kann nach ein wenig Recherche ein abwechslungsreiches Konzertprogramm entstehen.

Nach dem ersten Lockdown haben einige Ensembles im Sommer 2020 bereits gute Erfahrungen mit „Hauskonzerten“ gesammelt. Dafür konnte schon bei noch recht strengen Kontaktbeschränkungen in kleinen Gruppen geprobt werden. Es wurden kammermusikalische Werke in möglichst kleiner Besetzung erarbeitet, und als die ersten Lockerungen in Kraft traten und Konzerte wieder möglich machten, konnte man sein Publikum schon bald mit einem vielfältigen Programm erfreuen. Dieses Format hatte zusätzlich den Reiz, dass auch Sie selbst Ihre Ensemblemitglieder einmal von einer anderen Seite erleben konnten. Daran lässt sich nun anknüpfen. 

Allerdings wird sich nicht jeder Amateurmusizierende in einem solchen, quasi solistischen Programm wohlfühlen. Manche warten vielleicht lieber, bis das Musizieren in etwas größeren Gruppen wieder erlaubt ist. Dann kann es sinnvoll sein, das Ensemble zu teilen und Werke zum Beispiel nur in Streicherbesetzung oder nur mit der Bläsergruppe, bzw. mehrere klein besetzte Werke in wechselnder Zusammenstellung zu erarbeiten. Vor allem für Chorsänger*innen ist der einzuhaltende Mindestabstand eine gewöhnungsbedürftige Herausforderung. Ging es bisher immer darum, den Kontakt beim Musizieren zu spüren, aufeinander zu hören und sensibel gemeinsam zu reagieren, hat dieser Anspruch nun mit einer räumlichen Entzerrung auch eine völlig neue akustische Dimension erreicht. Ein „Verstecken“ hinter sicheren Sänger*innen ist in dieser Konstellation kaum noch möglich. In der Praxis bedeutet das, dass längst nicht alle Musikstücke für eine Aufführung geeignet sind.

Bei der Suche nach entsprechenden Kompositionen wird man nicht nur bei der klassischen Musikliteratur fündig. Spannend kann es auch sein, sich auf die vielfältige Literatur auch populärer Musik zu konzentrieren. Für ein Orchester können zum Beispiel Salonorchesterarrangements eine wunderbare Ergänzung zu den gewohnten klassischen Kammermusik- und Streichorchesterwerken sein. Hier liegen einerseits viele bekannte Kompositionen in der Bearbeitung für variable kleine Besetzungen vor und andererseits zahlreiche unbekannte kleine Werke, Tänze und Charakterstücke, welche direkt für Salonorchester komponiert wurden. Natürlich sind diese Werke und Bearbeitungen durchaus von unterschiedlicher Qualität. Allerdings sollte man nicht den Fehler machen, Salonorchesterliteratur von vornherein als „seichte Unterhaltungsmusik“ abzulehnen. Im Bereich des Chorrepertoires hat Popularmusik erheblich an Umfang gewonnen. Zahlreiche neue Arrangements sind erhältlich. Die vielen gut ausgebildeten Chordirigent*innen können sich zudem bei der Erstellung eigener Bearbeitungen ihre Kreativität und ihr Wissen um die Leistungsfähigkeit des eigenen Ensembles zunutze machen.

Zur Recherche nach entsprechenden Werken können Sie den „Nürnberger Katalog“  des BDLO heranziehen. In diesem Katalog ist die gesamte gängige Orchesterliteratur mit genauen Besetzungsangaben erfasst. Die erweiterte Suchfunktion ermöglicht es außerdem, nach bestimmten Besetzungen zu filtern. 

Bei der Beratung zu Chormusik helfen gerne die Verlage. Auch die Recherche in Portalen wie YouTube bringt zielführende Anregungen. 

Insbesondere bei jungen Ensembles erfreut sich Filmmusik großer Beliebtheit. Hierfür möchte ich die Seite filmmusicservices.de  empfehlen. Film Music Services ist ein Ansprechpartner für konzertante Aufführungen von Filmmusik, Video Games Music und Musical Songs. Dieses Repertoire liegt inzwischen auch in „coronakompatiblen“ Arrangements vor. Darüber hinaus sind in den vergangenen Monaten zahlreiche reduzierte Fassungen von beliebten Nummern aus Opern und Operetten sowie aus der sogenannten „leichten“ Unterhaltungsmusik entstanden. 

Barbara Weidlich 
BDLO – Bundesverband Amateurmusik Sinfonie- und Kammerorchester e.V.

Mitarbeit: Ralf Schöne
Verband Deutscher KonzertChöre e.V.
Erstellt: April 2022  
Zuletzt bearbeitet: Mai 2023