Sinn und Zweck einer Vereinsgeschäftsordnung

Nicht nur Wirtschaftsunternehmen verfolgen Ansätze der Effizienz und Beschleunigung, diese können und sollten auch auf die Tätigkeiten eines eingetragenen Vereins – auch wenn (oder gerade weil) dieser gemeinnützige Ziele verfolgt – übertragen werden.

Stellen Sie sich einmal folgende Situation vor: Sie haben soeben erfolgreich einen eingetragenen Verein gegründet, eine stimmige Satzung, die die Grundlagen des Vereins regelt beschlossen und wollen nun stringent ihr satzungsgemäßes Vereinsziel umsetzen.

Aber wer macht eigentlich was? Wie sind die einzelnen Vereinstätigkeiten konkret durchzuführen? Wie soll die Mitgliederversammlung ablaufen? Erfolgen Beschlüsse der Mitgliederversammlung durch Handzeichen, oder Wahlzettel? Wie soll eine Vorstandssitzung erfolgen?

Schon kann es zu den ersten Diskussionen zwischen den Mitgliedern und Verzögerungen in der Vereinsarbeit kommen. Dabei hatten Sie doch extra eine schlüssige Satzung erarbeitet!

Um hier eine effektive und reibungslose Vereinsarbeit zu unterstützen, gibt es das Instrument der Geschäftsordnung. Mithilfe einer solchen Geschäftsordnung können die Abläufe der Vereinstätigkeiten verbindlich geregelt und damit beschleunigt werden.  

Was kann eine Geschäftsordnung regeln? #

Unumstößlich regelt allein die Satzung die signifikanten Grundlagen ihres Vereins, wie es auch gesetzlich in § 57 BGB vorgesehen ist. Jedoch wird eben durch eine allgemein ausgestaltete Satzung noch nicht konkret geklärt, wie die Abläufe des Vereins in der Praxis erfolgen sollen. Genau um auf diese etwaigen Unklarheiten rechtssicher und transparent zu reagieren, kann sich das jeweilige Vereinsorgan auch ohne eine gesonderte Ermächtigung eine Geschäftsordnung geben.[1] Bei der Geschäftsordnung handelt es sich demnach um eine verbindliche und verschriftlichte Regelung der Abläufe und Prozesse innerhalb eines Vereinsorgans, wie der Mitgliederversammlung oder dem Vereinsvorstand. Grenzen der Regelungsfreiheit ergeben sich lediglich durch die Satzung selbst, oder durch die unverfügbaren Mitgliedschaftsrechte. Eine Geschäftsordnung regelt damit allein die interne Organisation und das Verfahren (den Geschäftsgang) eines Vereinsorgans.[2]

Beispielsfragen für Regelungsbereiche in einer Geschäftsordnung sind:

  • – Auf welcher Grundlage werden die Teilnehmer zu einer Sitzung eingeladen? Wie erhalten die Teilnehmer Kenntnis vom Termin?
  • – Wer leitet die Sitzung? Welche Rechte und Pflichten hat ein Versammlungsleiter?
  • – Wie geht der Verein mit schriftlichen Anträgen um? Wer kann einen Antrag stellen?  – Welche Formalitäten gelten für Anträge? Wann sind Dringlichkeitsanträge möglich?
  • – In welcher Form wird über Anträge abgestimmt? Welcher Personenkreis ist stimmberechtigt? Erfolgen Abstimmungen offen oder geheim? Welche Mehrheit entscheidet?
  • – Wer ist für das Anfertigen von Protokollen zuständig? Wie werden die Vereinsmitglieder über neue Protokolle in Kenntnis gesetzt?

Wie wird eine Geschäftsordnung erlassen? #

Der Erlass einer Geschäftsordnung setzt grundsätzlich einen Beschluss des jeweiligen Vereinsorgans mit einfacher Stimmenmehrheit voraus. Der Mitgliederversammlung steht als oberstem Vereinsorgan das Recht zu, für andere Vereinsorgane (z.B. den Vorstand) Geschäftsordnungen zu erlassen. Macht sie von diesem Recht Gebrauch, kann das betreffende Organ nicht mehr selbst eine Geschäftsordnung verabschieden.[3] Anderes gilt nur, wenn die Befugnis zum Erlass einer Geschäftsordnung in der Satzung ausdrücklich dem betreffenden (oder einem anderen, dritten) Organ zugewiesen wird. Dann darf sich die Mitgliederversammlung über diese Zuweisung nicht hinwegsetzen, sofern die Satzung nichts anderes bestimmt.

Vor- und Nachteile einer Geschäftsordnung #

Nach unserem Dafürhalten überwiegen regelmäßig die Vorteile einer Geschäftsordnung. Durch die Geschäftsordnung kann der Verein schneller und effektiver agieren. Die internen Prozesse werden systematisiert und professionalisiert. Etwaige Nachfragen und Unsicherheiten beim Ablauf und der Zuständigkeitsverteilung können minimiert werden. Sofern diese Abläufe und Inhalte der Geschäftsordnung wieder geändert werden sollen, kann dies schnell und ohne – wie bei einer Satzungsänderung – eine regelmäßig erforderliche Dreiviertelmehrheit der Mitgliederversammlung erfolgen.

Demgegenüber erfordert der Entwurf einer Geschäftsordnung gegebenenfalls die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts, respektive einen gewissen vereinsinternen Aufwand. Dies ist insbesondere notwendig, um die Inhalte der Geschäftsordnung kompatibel mit den Satzungsinhalten abzustimmen.

Gerade größeren Vereinen mit komplexeren Strukturen wird die Verabschiedung einer Geschäftsordnung empfohlen.

Beispiel für eine Geschäftsordnung #

Im Folgenden wird eine Geschäftsordnung zur Regelung der Versammlung eines Vereinsorgans dargestellt, die als Muster dienen kann. Dabei ist jedoch zu beachten, dass regelmäßig eine individuelle Geschäftsordnung zu erstellen ist, die die jeweiligen Umstände und konkreten Regelungsbedürfnisse aufgreift und abbildet.[4] Die untenstehende Geschäftsordnung regelt den konkreten Ablauf einer Vereinsversammlung.

Geschäftsordnung

§ 1 Geltungsbereich

  1. XY gibt sich zur Durchführung von Versammlungen der Organe diese Geschäftsordnung.
  2. Alle Versammlungen sind nicht öffentlich. Auf Antrag und Beschluss der Versammlung kann Öffentlichkeit zugelassen werden.

§ 2 Einberufung

  1. Die Einberufungsformalitäten sind bereits detailliert in der Satzung geregelt.

 § 3 Beschlussfähigkeit

  1. Die Organe des Vereins und der Abteilungen sind bei ordnungsgemäßer Einladung ohne Rücksicht auf die Zahl der erschienenen Mitglieder beschlussfähig.

§ 4 Versammlungsleitung

  1. Der Vorsitzende (Versammlungsleiter) eröffnet, leitet und schließt die Versammlungen.
  2. Bei Verhinderung des Versammlungsleiters und seiner satzungsmäßigen Vertreter wählen die erschienenen Mitglieder aus ihrer Mitte einen Versammlungsleiter. Der Versammlungsleiter kann das Wort entziehen und Unterbrechungen der Versammlung anordnen.
  3. Der Versammlungsleiter oder dessen Beauftragte prüfen die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung, die Anwesenheitsliste, die Stimmberechtigung. Der Versammlungsleiter gibt die Tagesordnung bekannt. Über Einsprüche gegen die Tagesordnung oder Änderungsanträge entscheidet die Versammlung ohne Debatte mit einfacher Mehrheit.
  4. Die Tagesordnungspunkte kommen in der vorgegebenen Reihenfolge zur Beratung und Abstimmung. Der Versammlungsleiter kann eine Änderung der Tagungsordnung vorschlagen und muss über diese Änderung abstimmen lassen.

§ 5 Worterteilung und Rednerfolge

  1. Bei mehreren Wortmeldungen ist eine Rednerliste aufzustellen. Die Eintragung erfolgt in der Reihenfolge der Wortmeldungen.
  2. Das Wort erteilt der Versammlungsleiter. Die Worterteilung erfolgt in der Reihenfolge der Rednerliste.
  3. Der Versammlungsleiter kann außerhalb der Rednerliste das Wort ergreifen.

 § 6 Anträge

  1. Die Antragsberechtigung zur Mitgliederversammlung ist in der Satzung festgelegt. Anträge an die anderen Organe und Gremien können die stimmberechtigten Mitglieder der entsprechenden Organe und Gremien stellen.
  2. Anträge müssen eine Woche vor dem Versammlungstermin vorliegen, soweit keine andere Frist durch die Satzung geregelt ist.
  3. Die Anträge sind schriftlich und mit Begründung einzureichen. Anträge ohne Unterschrift dürfen nicht behandelt werden.

§ 7 Dringlichkeitsanträge

  1. Dringlichkeitsanträge sind nur möglich, wenn alle Mitglieder des Organs zustimmen.

 § 8 Abstimmungen

  1. Vor Abstimmungen ist die Reihenfolge der zur Abstimmung kommenden Anträge deutlich bekannt zu geben. Die Anträge sind einzeln vorzulesen.
  2. Der Versammlungsleiter muss vor Abstimmung jeden Antrag nochmals vorlesen.
  3. Abstimmungen erfolgen offen. Eine geheime Abstimmung kann durch den Versammlungsleiter angeordnet oder auf Antrag mit einfacher Mehrheit beschlossen werden.
  4. Sieht die Satzung nichts anderes vor, entscheidet bei allen Abstimmungen die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen, Stimmengleichheit bedeutet Ablehnung. Stimmenthaltungen und ungültige Stimmen gelten als nicht abgegeben.

§ 9 Wahlen

  1. Wahlen sind nur möglich, wenn sie satzungsgemäß vorgeschrieben sind oder durch das Ausscheiden von Vorstandsmitgliedern notwendig werden. Sie bei der Einberufung bekannt gegeben werden und auf der Tagesordnung stehen.
  2. Beschließt die Versammlung nicht anderes, sind die Wahlen grundsätzlich schriftlich und offen in der satzungsmäßig vorgeschriebenen Reihenfolge vorzunehmen.
  3. Der Wahlausschuss, besteht aus drei Mitgliedern. Dieser sammelt und zählt die abgegebenen Stimmen.
  4. Der Wahlausschuss bestimmt den Wahlleiter, der während des Wahlganges die Rechte und Pflichten eines Versammlungsleiters hat.
  5. Die Prüfung des zur Wahl vorgeschlagenen Kandidaten auf die satzungsgemäßen Anforderungen erfolgt vor dem Wahlgang durch den Wahlausschuss. Ein Abwesender kann gewählt werden, wenn dem Wahlleiter vor der Abstimmung dessen Zustimmung als schriftliche Erklärung vorliegt.
  6. Vor der Wahl sind die Kandidaten zu fragen, ob sie kandidieren und nach ihrer Wahl, ob sie das Amt annehmen.
  7. Das Wahlergebnis wird vom Wahlausschuss festgestellt und seine Gültigkeit ausdrücklich für das Protokoll vorgelesen.
  8. Scheiden Mitglieder des Vorstandes, der Organe oder der Abteilungen während der Legislaturperiode aus, beruft der Vorstand auf Vorschlag des betreffenden Gremiums ein geeignetes Ersatzmitglied bis zur nächsten festgelegten Wahl.

§ 10 Protokolle

  1. Protokolle sind innerhalb von zwei Wochen den Versammlungsteilnehmern und dem Vorstand zuzustellen. Sie sind vom Protokollführer und vom Vorsitzenden zu unterzeichnen.
  2. Protokolle der Mitgliederversammlung sind nicht zu versenden, sofern die Versammlung dies nicht ausdrücklich beschließt.

 § 11 Inkrafttreten

Diese Geschäftsordnung wurde von der Mitgliederversammlung am XX.XX.XX beschlossen und tritt am XX.XX.XX in Kraft. 

 

Jonas David Jacob
Allgemeiner Cäcilienverband Deutschland e.V.
30.11.2022

[1] BGH, Urteil vom 6. 3. 1967 – II ZR 231/64 (München)

[2] BeckOGK/Segna, 1.8.2022, BGB § 25 Rn. 41

[3] Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 5, § 19 Rn.9

[4] Die Geschäftsordnung muss – wie dargestellt – stets mit der Satzung kompatibel sein. Im Zweifelsfall geht immer die Satzungsregelung vor.

 

Weitere Links:

Mustersatzung für Vereine

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