MUSIKSTÜCKE ENTDECKEN: Kreatives Musizieren

Kreatives Musizieren bedeutet eigene musikalische Ideen zuzulassen, ihnen einen Ausdruck zu verleihen und sich Zeit zu nehmen, sie weiter auszuarbeiten. Dabei dürfen auch bestehende musikalische und nicht-musikalische Beispiele zur Orientierung oder als Inspiration dienen. Die Arbeit mit existierendem Material unterstützt den künstlerischen Prozess, in dem die eigene Kreativität im Mittelpunkt steht. 

Diese Art des Musizierens lässt die Teilnehmenden in eine Art kompositorischen Prozess eintauchen. Fertige Kompositionen sind nicht zwingend das Ziel der Beschäftigung. Vielmehr geht es darum, die Schritte, Überlegungen und Erfahrungen, die bei der künstlerischen Auseinandersetzung gemacht werden, zu erleben. Eine Orientierung für das kreative Arbeiten können die Phasen Explorieren – Konkretisieren – Präsentieren geben. 

In der Phase des Explorierens wird das Material erforscht, das als Ausgangspunkt für das kreative Musizieren genutzt werden soll. Diese Inspirationsquelle kann musikalisch sein (z.B. Songs und Werke, Stilistik und Genre, Epoche) oder von anderen Künsten kommen: Gedichte und Geschichten, Bilder und Skulpturen oder Tänze und Bewegungen. In der Alltagswelt findet sich ebenfalls Ausgangsmaterial, das für kreative Prozesse genutzt werden kann (Stadt- und Naturgeräusche, Zeitungsausschnitte, Chatverläufe, Küchengegenstände etc.). Aber auch Themen wie beispielsweise Freundschaft, Zukunft, Nähe und Distanz oder Veränderung können als Grundlage für eigene Ideen dienen. Beim Explorieren wird zunächst gesammelt und ausprobiert. Hintergrundinfos zum Material/Thema werden gebündelt und es entwickeln sich (musikalische) Skizzen und Ideen. Was finde ich spannend? Was interessiert mich? Das Sich-Einlassen auf das Material folgt der Neugier. Dabei entsteht eine dichte Sammlung von Entwürfen.  

In einem nächsten Schritt, der Phase des Konkretisierens, wählt man einen der gesammelten Herangehensweisen und arbeitet diesen aus. Welche Idee oder Skizze möchte ich weiterverfolgen? Welchem Interesse möchte ich mich intensiver widmen? Diese Phase erlaubt es, sich in einen Teilaspekt zu vertiefen und diesem eine Gestalt zu geben. Es entstehen Zwischenergebnisse, die frei von einem Perfektionsanspruch sind. Ganz nach dem Motto „der Weg ist das Ziel“ sind die Erfahrungen und Handlungen während des Prozesses entscheidend. 

Die Phase der Präsentation der Zwischenergebnisse schließt eine Prozessschleife ab, die sich während eines Projekts mehrfach wiederholen kann. Denn zu der künstlerischen Arbeit gehört es auch, einen Abschluss zu finden. Während man sich in der Konkretisierungsphase immer stärker in eine Sache vertieft, bietet die Präsentation die Chance, sich vom eigenen Werk zu distanzieren, über den Prozess zu reflektieren und sich Feedback einzuholen. In dieser Phase können auch Fragen zur Darstellung des Zwischenergebnisses gestellt werden: Wie soll es präsentiert werden? In welchem Raum? Wie ist das Publikum positioniert? In einer weiteren Konkretisierungsphase können nun Erkenntnisse aus der Präsentation eingearbeitet werden oder man widmet sich einem neuen Schwerpunkt aus der Explorationsphase. 

Beim kreativen Musizieren fallen die musikalischen Ergebnisse sehr vielseitig aus. Es können beispielsweise erste Fragmente für eigene Songs oder Instrumentals (ein Gitarrenriff, eine Bassline, eine melodische Hookline, Songtexte) oder Fragmente zu bestehenden Songs entstehen (neue Harmonien zu einem Volkslied). Zweite und dritte Stimmen können komponiert und neue Begleitungen geschrieben werden. Aber auch das Sammeln von musikalischen Zitaten kann Ausdruck einer kreativen Beschäftigung sein. Diese Rhythmen, Beats und Melodien können im nächsten Schritt, ähnlich dem Sampling, zur kreativen Musikproduktion genutzt werden, indem sie in einen neuen musikalischen Kontext überführt werden. Dem verwandt sind musikalische Collagen, die verschiedene musikalische Bausteine zu einem neuen Musikstück zusammenführen. Das Verwenden von Sampling-Apps und Softwareprogrammen erleichtert in beiden Fällen die kreative Arbeit. Das Erstellen von Playlists zu einem bestimmten Thema (z.B. Welche Musik würde Wolfgang Amadeus Mozart heute hören?) kann ebenso ein Einstieg in die kreative Auseinandersetzung mit Musik sein. Auch bei den Ergebnissen sind der persönlichen Kreativität keine Grenzen gesetzt. 

Die Leitenden und Initiierenden eines kreativen Musizierens stehen den Teilnehmenden während des Prozesses unterstützend zur Seite. Sie können allgemeine oder zielgerichtete Impulse geben, um der individuellen gestalterischen Arbeit zu helfen. Im Voraus können bereits Zettel mit Fragestellungen vorbereitet werden, die die Teilnehmenden bei Bedarf unterstützen (Wie würde ein Lied des Protagonisten im Gedicht klingen? Welche Elemente müsste ein Song von heute haben, der sich mit dem gleichen Thema wie das (Kunst)Lied beschäftigt? Wenn die Bewegung eine Melodie wäre, wie würde sie klingen? Wie müsste eine Musik sein, die den gehörten Interpreten kontrastiert?). 

Kreatives Musizieren regt dazu an, sich selbst mit der musikalischen Gestaltung zu beschäftigen. Dabei ist nicht (nur) das Ergebnis entscheiden, sondern besonders die Auseinandersetzung. Der individuelle und persönliche Zugang zur musikalischen Gestaltung bietet den Teilnehmenden die Chance, voneinander zu lernen und von den Erfahrungen gegenseitig zu profitieren.

IMPULSFRAGEN 

  • Welche inspirierenden musikalischen und außermusikalischen Inhalte kann ich den Teilnehmenden als Einstiegsmaterial zur Verfügung stellen? 
  • Mit welchen Themen möchten sich die Teilnehmenden gerne kreativ auseinandersetzen? 
  • In welchen Formen und Formaten könnten die Teilnehmenden sich gerne ausdrücken wollen? 
  • Womit kann ich die kreative Arbeit der Teilnehmenden unterstützen und begleiten? 
  • Kenne ich Expert*innen und Künstler*innen, die ich für einen Impuls einladen kann? 
  • Was könnte ich für die Teilnehmenden vorbereiten z.B. Technik, Material, Beispiele?