Publikation: Grundlagen zum Musizieren unter Pandemiebedingungen

Diese Grundlagenpublikation enthält den aktuellen Forschungsstand pandemie­bezogener Themen hinsichtlich ihrer Relevanz für Musizierende. Sie beleuchtet u.a. die Felder Corona-Test, Masken, Hygieneregeln, Lüften- und Lüftungstechnik und beinhaltet eine exemplarische Risikobetrachtung (Stand: 30.01.2023).

Grundlagen für das Musizieren unter Pandemiebedingungen

Die SARS-CoV-2-Pandemie hat Chöre und Orchester in einem bisher nie dagewesenen Ausmaß getroffen. 14,3 Millionen Menschen in Deutschland (Studie Musikinformationszentrum ) musizieren in ihrer Freizeit. Während der Pandemie musste ein Großteil dieser Ensembles immer wieder über längere Zeiträume ihre Aktivitäten einstellen oder digital fortführen.

Das Kompetenznetzwerk NEUSTART AMATEURMUSIK mit seinem wissenschaftlichen Gremium stand im engen Kontakt mit den Vertreter*innen der Wissenschaft und erarbeitete Handlungsempfehlungen für das Spannungsfeld sicheres Musizieren unter Pandemiebedingungen. Die folgende Publikation stellt Informationen auf Basis aktueller Forschungsergebnisse zu diesem Thema zusammen und bietet damit eine Grundlage für die Erarbeitung von Hygienekonzepten sowie für kulturpolitische Entscheidungen.

Stand: 30.01.2023

Wichtige Erkennisse

Kein höheres Ansteckungsrisiko durch Musizieren: Gute Nachrichten für die Amateurmusik aus einer Studie des MPIDS: Das Spielen auf Blasinstrumenten verbreitet weniger Viren über ausgeatmete Aerosole als beim Sprechen. Beim Gesang ist die Verbreitung von Viren vergleichbar wie beim Sprechen und weniger als beim Schreien.

„Long Covid“ als Herausforderung: Auch als „endemische Krankheit“ wird SARS-CoV-2 künftig Auswirkungen auf Gesellschaft, Politik und jeden Einzelnen haben – insbesondere der Umgang mit Long Covid bleibt wissenschaftlich, medizinisch und sozialpolitisch eine große Herausforderung.

Information als Voraussetzung für Infektionsschutz: Eine Aufstellung zur Wirksamkeit der nicht-pharmazeutischen Maßnahmen und damit verbundenen Einschränkungen während der Pandemie zeigt, dass eine verständlich aufbereitete Information zum Schutz vor Infektionen am wichtigsten ist.

Empfehlungen als Grundlage für Hygienekonzepte

Impfen und Corona-Tests

  • Die Impfung bietet einen guten individuellen Schutz, nicht schwer an COVID-19 zu erkranken.
  • Zusätzlich bremst die Impfung die Ausbreitungsdynamik ab. Im Falle der neuen Virusvarianten bieten zusätzliche Coronatests auch bei geimpften Personen mehr Sicherheit, um Ansteckungen zu vermeiden.
  • Antigentests (Schnell- und Selbsttests) bieten eine schnelle und einfache Möglichkeit, ansteckende Personen von Veranstaltungen fernzuhalten. Sie erkennen insbesondere hohe Virenlasten in den Atemwegen.
    – negativ = eher nicht ansteckend, weiterhin AHA+L-Regeln beachten.
    – positiv = vermutlich ansteckend, sich isolieren und durch PCR-Labortest überprüfen lassen.
  • Die Aussagekraft eines negativen Testergebnisses ist zeitlich beschränkt. Für höhere Sicherheit sollten die Tests erst kurz vor dem gemeinsamen Musizieren durchgeführt werden.

Teilnehmende und Kontaktdaten

  • Die verantwortungsbewusste Teilnahme wird durch persönliche Kontaktanalyse der vorangegangenen 2 bis 3 Tage sowie durch persönliche Kontrolle möglicher Krankheitssymptome von allen Teilnehmenden gewährleistet. Zusätzlich bieten eine hohe Impfquote und ergänzende Coronatests mehr Sicherheit.
  • Die Erfassung der Kontaktdaten (DSGVO-konform) aller Teilnehmenden erleichtert das rückwirkende Informieren, sollten im Nachgang einer Veranstaltung Infektionen auftreten.
  • Die Kontaktdatenerfassung ist auch per App bzw. digitaler Anwesenheitsliste beim Probenbetrieb möglich. Beachtet werden sollten dabei eventuell datenschutzrechtliche Lücken der jeweiligen Software.

Abstands- und Hygienemaßnahmen

  • Abstand verhindert keine Ansteckung über Aerosole in geschlossenen Räumen.
  • Ein Abstand von 1,5 Metern, Gesichtsvisiere und Trennwände oder das Tragen von Masken bieten einen Schutz vor Tröpfcheninfektion, insbesondere bei Gesprächen (face-to-face).
  • Bei Aufstellungen ohne direkten Blickkontakt (wie bei Chor, Orchester) oder mit Trennwänden wird der Abstand zweitrangig. Der Abstand zwischen musikalisch Leitenden und den Musizierenden sollte großzügig eingehalten werden oder Masken getragen werden.
  • Musizierende sollten ihr Kondenswasser aus Blasinstrumenten auffangen und sicher entsorgen.
  • Gemeinsame Nutzung von Instrumenten und Gegenständen sollte vermeiden werden (bei Austausch fachgerecht reinigen/desinfizieren).

Tragen von Masken

  • OP-Masken sind ein guter Tröpfchenschutz und dicht anliegende FFP-Masken schützen in geschlossenen Räumen zusätzlich vor der Ansteckung über Aerosole.
  • Masken mit Ausatemventil bieten nur einen Eigenschutz.
  • Die Maske sollte nur an den dafür vorgesehenen Bändchen angefasst werden.

Lüften und Lüftungstechnik

  • Effektives Lüften ist in Innenräumen eine der wichtigsten Schutzmaßnahmen zur Reduzierung des Infektionsrisikos.
  • Kontrolliertes Lüften: Häufigkeit und Dauer sollte durch Überwachung der Raumluftqualität mittels CO2-Messungen erfolgen.
    – Freies Lüften ist mit dem Prinzip des Stoß- und Querlüften am effektivsten.
    – Raumlufttechnische Anlagen sollten mit dem Prinzip der Quell-Lüftung und 100 Prozent Frischluftzufuhr betrieben werden (sehr gute Belüftung möglich mit 50 − 75 m3 pro Stunde und Person).
    – Raumlufttechnische Anlagen im Umluftbetrieb sowie Luftreiniger sollten möglichst z. B. mit der Kombination von Filtervliese F7 und F9 nach DIN EN 779:2012 ausgestattet sein.
    – Luftreiniger können ergänzend zum freien Lüften genutzt werden, z. B. für Räume mit schlechter Lüftungsmöglichkeit. Ab einer Reinigung von 50 − 75 m3 pro Stunde und Person ist bei der Kontrolle der Raumluftqualität ein CO2-Gehalt kleiner 1000 ppm bereits ausreichend.
  • Durch den Einsatz von Luftreinigern oder technisch unterstütztem Lüften (z. B. mit CO2-Messung) wird unnötiges Lüften vermieden, was Energie einsparen kann.

CO2-Messung

  • Da CO2 genauso durch die menschliche Atmung entsteht wie eventuell virenbelastete Aerosolpartikel, kann die CO2-Konzentration als Indikator für die Konzentration ausgeatmeter Aerosolpartikel angenommen werden. Kontinuierliche CO2-Messungen und daraus abgeleitete Lüftungs- und
    Pausenregelungen sind deshalb in Verbindung mit anderen Maßnahmen eine gute Möglichkeit, um das Infektionsrisiko deutlich zu reduzieren.
  • Als Grenzwert wird eine CO2-Konzentration von 800 ppm empfohlen.
  • Ausreichend genaue CO2-Monitore (auch als CO2-Ampeln bekannt) sind im Handel relativ kostengünstig erhältlich.

Parameter des Verantaltungsorts

  • Große Räume wie z. B. Kirchen oder Hallen sollten bevorzugt genutzt werden, das Raumvolumen pro Person und die Lüftung sind entscheidend.
  • Ein Lüftungskonzept für den jeweiligen Raum ist sinnvoll oder die maximale Raumbelegung und Aufenthaltszeit möglichst kurz zu halten.
  • Veranstaltungen im Freien sollten, aufgrund des geringeren Infektionsrisikos (optimale Belüftung, Inaktivierung der Viren durch UV-Strahlung), bevorzugt werden.
  • Individuelle Risikoeinschätzung unter Berücksichtigung der Impfquote, dem Schutzbedarf der Teilnehmenden (Altersstruktur) oder örtlichen Gegebenheiten wie dem Infektionsgeschehen und der Raumsituation sind sinnvoll.
  • Modellrechner zur Risikoeinschätzung können als Ergänzung zu Hygienekonzepten genutzt werden (Achtung: nur theoretische Annahmen).

Risikobetrachtung – Ein exemplarischer Proberaum

  • Das Infektionsrisiko für zwei konkrete Ereignisse, Probe und Konzert, wird abgeschätzt.
  • Den besten Schutz bieten korrekt getragene FFP2-Masken.
  • Ein gleichwertiger Schutz kann durch die Kombination folgender Maßnahmen erreicht werden:
    – sehr guter Belüftung (technische Lüftung/RLT-Anlage oder kontrollierte Lüftung und Luftreiniger).
    – Antigentest aller Anwesenden (bei Inzidenz über 50).
  • Bei höheren Inzidenzen sind größere Veranstaltungen so auszulegen, dass von infizierten Personen kein Risiko ausgeht – ihre Anwesenheit lässt sich nicht verlässlich ausschließen.

Die einzelnen Punkte werden mit wissenschaftlichem Hintergrund zum SARS-CoV-2 Infektionsgeschehen und Empfehlungen anderer Einrichtungen auf darauffolgenden Seiten im Detail erläutert. Die Einhaltung der aktuellen, regional gültigen Corona-Verordnung hat stets Vorrang, sodass nicht sämtliche hier aufgeführten Maßnahmen zwingend notwendig sind. Je nach den konkreten Umständen vor Ort reduzieren bereits eine Auswahl dieser Maßnahmen deutlich das Infektionsrisiko beim Musizieren. Grundsätzlich haftet niemand für eine Infektion. Auch der Veranstaltende von Proben und Konzerten kann nicht für eine Infektion haftbar gemacht werden, sofern die geltenden Regeln erfüllt sind. Mehr hierzu, insbesondere zum Sorgfaltsmaßstab im Beitrag: Haftet mein Ensemble bei Infektionen? Die Anwendung der Maßnahmen kann das Infektionsrisiko zwar nicht völlig ausschließen, jedoch deutlich reduzieren, sodass Proben und Veranstaltungen im Amateurmusikbereich möglich sind.

Stand: 30. Januar 2023