Digitale Noten und was es zu beachten gibt

Der Trend geht auch beim Musizieren zur Digitalisierung. Alles Wissenswerte rund um das Thema digitale Noten erfahren Sie in diesem Artikel.

Das Stuttgarter Kammerorchester macht es uns vor: Deutschlandweit hat das Profiorchester als erstes Orchester komplett auf das Spielen von digitalen Notenblättern umgestellt. Inzwischen sind auch immer mehr Amateurmusiker*innen anzutreffen, die anstelle von Notenblättern ein Tablet vor sich haben und die ersten Ensembles spielen mit dem Gedanken, ganz auf digital umzustellen. Die Vorteile scheinen verlockend: Verlorene oder vergessene Noten gehören der Vergangenheit an, es müssen keine schweren Mappen mitgeschleppt werden – überhaupt könnte so das Problem der übervollen Notenarchive gelöst werden. Arrangements stehen dem/der Leiter*in ortsunabhängig in Sekundenschnelle zur Verfügung, Änderungen sind sofort für alle ersichtlich. Und vielleicht ist die Verwendung von digitalen Notenblättern sogar positiv für die Umweltbilanz?

Inhalt

Noten digitalisieren – darf ich das eigentlich?

Noten stehen in Deutschland unter besonderem Schutz. Rechtlich gelten für das Scannen oder Abfotografieren von Noten die gleichen Regeln wie beim Kopieren und es ist dem Urheber vorbehalten (siehe MIZ: Noten vervielfältigen, bearbeiten, veröffentlichen und verbreiten ). Verboten ist auch das Versenden von Noten per E-Mail. In der Praxis werden allerdings oft Arbeitskopien angefertigt oder Noten vorab zum Üben verschickt. Beim oft gebräuchlichen Verschicken digitaler Noten muss noch viel mehr Sorgfalt betrieben werden, da diese digital sehr einfach in alle Welt verbreitet werden können. Der Hinweis „Die Noten sind für den Eigengebrauch und dürfen nur für die Probenarbeit des Orchesters XY verwendet werden“ kann zumindest die Absicht festhalten. Fakt bleibt – Kopien, auch Scans und Fotografien – sind nur erlaubt, wenn der/die Rechteinhaber*in – also der/die Künstler*in, meistens vertreten durch Verlag bzw. GEMA – einwilligt (§ 53 IV UrhG). Für die Zukunft der digitalen Notennutzung müssen hier erst noch Lösungen gefunden werden. Erste Schritte in diese Richtung gehen hier die klassischen Orchester, da sie z.B. die lizenzfreien Werke der IMSLP-Datenbank oder das Archiv des BDLOs nutzen können. Bei gemeinfreier Musik, bei denen der/die Komponist*in vor mehr als 70 Jahren verstorben ist, dürfen die Noten generell kopiert bzw. digitalisiert werden. Auch ist es erlaubt, die Noten von Hand abzuschreiben oder mit einem Notenprogramm abzutippen. Diese Abschriften dürfen allerdings wiederum nicht für andere kopiert oder ausgedruckt werden. Eine weitere Ausnahme stellt die persönliche Archivierung oder der persönliche Gebrauch dar. Noten, die seit mehr als zwei Jahren nicht mehr erhältlich sind, dürfen ebenfalls eingescannt oder kopiert werden. Eine weitere Möglichkeit, digitale Noten im Ensemble nutzen zu können, ist in den Datenbanken mit kostenlosen und lizenzfreien Noten zu finden, wie z.B. Musecore und Free Score.

Welche Technik ist nötig?

Noten scannen

Zum Notenscannen reichen die in den Tablets integrierten Programme normalerweise aus. Die digitalisierten Noten werden in der Regel im PDF-Format gespeichert. In einem digitalen Notenarchiv können hierbei schnell größere Datenmengen zusammenkommen. Daher bietet sich die Speicherung auf einem eigenen Server oder in einer Cloud an. Sollen die analogen Noten für die weitere Nutzung digitalisiert werden, erfolgt dies per „Optical Music Recognition (OMR)“. Allerdings ist dieses Verfahren, das im Textbereich (OCR) gut funktioniert, sehr fehleranfällig. Gründe dafür sind der größere Zeichenvorrat, die verschiedenen Größen der Zeichen und die hohe Anzahl an Variationsmöglichkeiten.

Programme für Notensatz und -verwaltung

Es gibt eine große Auswahl an Notensatz- und Notenverwaltungsprogrammen. Viele sind in der Basisversion kostenlos. Nicht alle laufen auf Macs, auf iPhone und iPads. Folgend eine Übersicht von den gebräuchlichen Programmen:

Capella : Alles rund um den Notensatz.

Dimusco : Organisiert und verwaltet Ensembles, Noten, Anmerkungen und Projekte einfach und sicher mit dem Browser von überall und zu jeder Zeit. Für ein neues Projekt werden nur die bestehenden Gruppen angepasst und die Noten zugewiesen, alles Weitere erledigt die automatische Synchronisation.

Finale : Umfangreiche Notationssoftware mit großem Funktionsumfang.

forScore : Mit der App können Noten in Bibliotheken organisiert werden.

Henle Library : Urtext-Ausgaben des G. Henle Verlags (Klassik).

iBooks : App für Apple-Geräte. Genügt für eine einfache Archivierung der Musik-Noten per PDF. Ebenso können Akkord-Listen, Songtexte oder Gitarren-Tabs gespeichert werden. iBooks ist mit diversen Programmen kompatibel.

MobileSheets : Der Firma Zubersoft ist die erste Notenlese-App, die jemals für Android herausgebracht wurde. Sie bietet eine gute Organisation der Notensammlung.

MuseScore : Beliebtes Notensatzprogramm, entwickelt von einer Open-Source-Community. Erlaubt abhören über MIDI-Soundfonts. Transponieren für andere Instrumente kann auf Knopfdruck erfolgen.

nkoda : Die nkoda Library ist eine digitale Notenbibliothek. Sie enthält die Kataloge der weltweit führenden Verlage.

IMSLP : International Music Score Library Project ist ein Projekt zur Schaffung einer Online-Bibliothek für gemeinfreie Musiknoten.

Orpheus : Wurde speziell für Android entwickelt und ist als schlanke Minimallösung konzipiert.

piaScore (Apple): Bietet vielseitige Möglichkeiten an Darstellungen, eigene Eintragungen in die Notenblätter vorzunehmen, usw.

ScanScore : Noten können einfach digitalisiert werden. Gescanntes Notenmaterial kann abgespielt werden.

Sibelius : Umfangreiche Musiknotationssoftware. In der stark vereinfachten Basisversion (Sibelius First) kostenlos.

Sheet Music : Große Auswahl an digitalen Noten sowie das weltweit erste Abonnement für digitale Noten mit unbegrenztem Zugriff (PASS).

Enote : Noten-App bietet umfangreiche Bibliothek inkl. Urtext- und kritischen Gesamtausgaben mit vielen nützlichen (KI-)Tools für den pädagogischen und professionellen Bereich. Eigene Noten-Scans können hochgeladen und eigene Aufzeichnungen mit anderen Usern geteilt werden.

Die Auswahl ist das Ergebnis unserer Recherche nach bestmöglicher Verwendung – an kostenpflichtigen Vorschlägen verdienen wir nichts. Wenn Sie noch weitere Programme, Apps oder digitale Tools kennen, die hier nicht fehlen sollten, schreiben Sie uns gerne eine Mail an: info@frag-amu.de

Geräte zur Wiedergabe von digitalen Noten

Für die Nutzung der digitalen Noten können herkömmliche Android-Tablets oder iPads zum Einsatz kommen. Die Geräte können mit dem Master/Slave-Prinzip untereinander mittels Bluetooth oder WLAN synchronisiert werden. Das Master-Gerät hat somit, z.B. für Eintragungen, Zugriff auf alle Slave-Geräte. Sollte ein Tablet extra für die Nutzung von digitalen Noten gekauft werden, genügt ein digitaler Reader. Darüber hinaus sind ein Fußpedal und Tablet-Halter sinnvoll.

Eine interessante Alternative bietet das Marschpat, welches in Österreich entwickelt wurde. Es handelt sich hierbei um einen PocketBook E-Reader mit einem E-Ink-Carta-Display und mit einer vorinstallierten Marschpat-App. Ensembles haben damit Zugriff auf über 10.000 Noten (Märsche, Polkas, kirchliche Stücke, Hymnen, Fanfaren und Choräle) für verschiedene Instrumente. Die Bereitstellung der Noten ist aufgrund der Kooperationen mit Verlegern und Komponist*innen möglich. Das Marschpat kann für jedes Instrument optimal befestigt werden und besitzt eine Akkulaufzeit von mehreren Wochen.

Auch wenn der Transport der Notenmappen hier entfällt, ist ein Aufwand für die Wartung und Einrichtung der Tablets einzuplanen. Zudem muss das digitale Notenarchiv gepflegt werden. Für den Notfall sollte immer ein Strom-Verlängerungskabel dabei sein.

Zukunftsmusik

Die ersten professionellen klassischen Orchester wechseln von Papier auf elektronische Noten. Das Stuttgarter Kammerorchester wird hierbei durch das Förderprogramm ZUKUNFTSSTARK des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg unterstützt – auch mit dem Ziel der CO2-Einsparung. In der Amateurmusik nutzen immer mehr Musiker*innen Tablets zum Musizieren und sind von den Vorteilen überzeugt. Ob sich der Einsatz von Tablets vielleicht sogar positiv auf die Umweltbilanz auswirkt, hängt von vielen Faktoren, insbesondere der Intensität der Nutzung ab. Der Einsatz im kompletten Ensemble wird sich zukünftig aber erst lohnen, wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen geklärt sind und mehr Verlage hier neue Wege gehen.

Nadja Bader
Bund Deutscher Blasmusikverbände e.V.
Evangelischer Posaunendienst in Deutschland e.V.
Erstellt: Januar 2023
Zuletzt bearbeitet: Mai 2023