Haftung des Vereins bei Corona-Infektionen

Während der Pandemie stellten sich viele Vereine die Frage nach der Haftung bei Infektionen. Nein, im Normalfall haftet der Verein nicht für Infektionen. Anders wäre das nur, wenn man nicht sorgfältig mit den Hygiene-Vorschriften umginge.

Bei Proben und Konzerten kann immer etwas schiefgehen, nicht nur musikalisch: Es kommt ein Kratzer ins Klavier, ein Taufbecken wird umgestoßen, jemand stolpert über ein Kabel… Wer sich aber sorgfältig um Sicherheit bemüht, muss nicht befürchten, für jeden denkbaren Schaden in Regress genommen zu werden.

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Wie sorgfältig müssen Proben und Konzerte organisiert werden?

Wer Proben oder Konzerte organisiert, muss darauf achten, dass dabei keine besonderen Gefahren für die Teilnehmer entstehen. Man muss alles tun, was notwendig und zumutbar ist, damit ein/e durchschnittliche/r Besucher*in oder Mitspieler*in nicht zu Schaden kommt.

Ein durchschnittlicher Besucher ist Otto Normalverbraucher. Er ist durchschnittlich vernünftig, aufmerksam und sorgfältig. Er klettert also einerseits nicht über die Absperrung zur Bühne, prüft aber andererseits auch nicht, ob der Teppich Stolperkanten aufweist. Der Verein muss also nur in Maßen auf ihn aufpassen, denn schließlich ist jeder auch immer für sich selbst verantwortlich. Gegenüber Kindern muss man mehr Vorsicht walten lassen, da sie unerfahren und manchmal auch unbesonnen sind.

Gemessen daran muss der Verein alles tun, was zur Verhinderung von Schäden notwendig ist. Der Verein muss aber nicht alles tun, was für die Sicherheit sinnvoll wäre.

Beispielsweise wäre es sinnvoll, den Teppich vollständig mit doppelseitigem Klebeband zu befestigen. Notwendig ist aber nur, seine Außenkante zu fixieren.

Außerdem muss der Verein auch nur alle zumutbaren Maßnahmen ergreifen. So ist das einfache Abkleben einer Stolperfalle zumutbar. Unzumutbar wäre es dagegen, den ganzen Teppich herauszureißen und den gesamten Raum mit neuem Estrich zu versehen.

So sehr es hierbei immer auf die Umstände des Einzelfalls ankommt, so sehr kann man sich auf den „gesunden Menschenverstand“ verlassen. Das zeigt sich auch bei dieser Faustregel: Je krasser mögliche Schäden sein können und je weniger sie für die Teilnehmer*innen erkennbar und beherrschbar sind, desto höher sind die Sicherheitsanforderungen an den Verein. Umgekehrt heißt das: Bei einer ganz normalen Probe in den üblichen geeigneten Räumlichkeiten sind die Sicherheitsanforderungen relativ niedrig.[1]

Aus diesem Grund genügt es z.B. nicht, einen allgemeinen Warnhinweis „Betreten auf eigene Gefahr“ aufzuhängen. Das gibt den Besucher*innen schließlich keine Auskunft darüber, wie und wovor sie sich schützen sollen. Wohl aber kann es geboten sein, mit Schildern vor einer besonderen Lautstärke oder dem Einsatz von Stroboskoplicht zu warnen.

Geschieht trotz der getroffenen Maßnahmen ein Unglück – ein/e Besucher*in rutscht auf einer Bananenschale aus – ist dies kein Unrecht, für das der Verein haften müsste.

Was bedeutet das in Bezug auf die Gefahr einer Infektion mit dem Corona-Virus?

Die Gefahr einer Infektion mit dem Corona-Virus ist wie alle anderen Gefahren zu behandeln. So, wie man sich an die Vorschriften zum Brandschutz hält, müssen während der Pandemie Hygiene-Vorschriften beachtet werden. Der Verein muss die gesetzlichen Hygiene-Vorschriften sorgfältig erfüllen, die für Proben und Konzerte gelten. Hierzu zählen insbesondere die Regeln zum Abstand und zur Mund-Nasen-Bedeckung. Je nach Entwicklung der Pandemie und den entsprechenden gesetzlichen Vorgaben, kann auch die Erarbeitung eines Hygienekonzeptes, die Belehrung der Vereinsmitglieder über die Maßnahmen und die Ernennung eines Hygiene-Beauftragten gefordert sein. Dafür ist der Verein zuständig. Darüber hinaus obliegt es jedoch auch der Verantwortung jedes einzelnen Vereinsmitgliedes, sich selbst zu schützen, indem man z.B. die Abstandsgebote zu anderen Mitgliedern einhält. Am besten weist der Verein alle Mitglieder auf die Hygiene-Vorschriften hin (z.B. per Mail oder durch Erklärung vor der ersten Probe). Dann fällt es allen leicht, gemeinsam auf die Einhaltung zu achten und sich vielleicht daran zu erinnern, auch in den Pausen noch keine allzu eng beieinanderstehenden Grüppchen zu bilden.

Ein Haftungsfall tritt aber nur dann ein, wenn man vorsätzlich, d.h. wider besseren Wissens oder sogar mit Absicht gegen Hygiene-Auflagen verstößt und es dadurch zu Infektionen kommt. Man darf auch nicht fahrlässig mit den Vorgaben umgehen und grundlos darauf vertrauen, es werde ohnehin nicht zu Infektionen kommen. Umgekehrt heißt das: Wer sich bemüht, die Vorschriften ernst zu nehmen, muss sich keine Sorgen machen. Wenn die Probe einmal ein paar Minuten länger dauert oder jemand vergisst, ein Fenster zu öffnen, löst das kein Haftungsrisiko aus. Dies tritt ohnehin nur dann ein, wenn es nachweislich zu einer Infektion käme und der Infizierte dafür Schadensersatz fordern sollte. Den Nachweis für die Infektion während der Probe müsste der Infizierte erbringen. Selbst für den (noch) weniger wahrscheinlichen Fall, dass das Ordnungs- oder Gesundheitsamt in der Probe anwesend sein sollte, böte eine so geringfügige und versehentliche Überschreitung der Hygiene-Vorgaben keinen Anlass zur Verhängung eines Bußgeldes. Kleine Fehler dürfen passieren, wo grundsätzlich Sorgfalt statt Laissez-faire herrscht.

Wer genau würde denn haften? Und wofür?

Ein/e Geschädigte*r kann sich aussuchen, ob sie/er den Verein verklagt oder dessen Vorstand in Regress nimmt. So erhöht sich für sie/ihn die Wahrscheinlichkeit, einen zahlungskräftigen Schuldner zu finden.

Wer für einen Schaden verantwortlich ist, muss ihn ausgleichen, also z.B. Reparatur- oder Arztkosten bezahlen. In besonderen Fällen muss man auch Schmerzensgeld zahlen.

Und was ist mit der beschränkten Haftung im Ehrenamt?

Wenn ein Mitglied des Vereins – Vorsitzende*r wie einfaches Mitglied – unentgeltlich oder im Rahmen der Ehrenamtspauschale etwas für den Verein tut und zu dieser Aufgabe ausdrücklich beauftragt worden ist, haftet das Mitglied dabei nur für grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz, nicht aber für einfache Fahrlässigkeit. Die Idee dahinter ist, Menschen zum Ehrenamt zu motivieren und ihnen sorgenfreies Handeln zu ermöglichen. Grob fahrlässig handelt, wer nicht einmal über grundlegende, für jeden einleuchtende Aspekte sorgfältigen Handelns nachdenkt. Im Zweifel muss der Verein dem „Hans-guck-in-die-Luft“ nachweisen, dass dieser grob fahrlässig gehandelt hat.

Diese Haftungserleichterung ist jedoch kein Freifahrtschein für die Schädigung Dritter oder einzelner Vereinsmitglieder, sie gilt nur gegenüber dem Verein.[2]

Können Probenraumvermieter*innen die Haftung auf den Verein abwälzen?

Nein. Vermieter können nur verlangen, dass sich der Verein an die rechtlichen Vorgaben hält. Grundsätzlich ist jeder für die Schäden verantwortlich, die seinem Verantwortungsbereich zuzurechnen sind. Beispielsweise ist allein der Vermietende für die bauliche Sicherheit des Proben- oder Auftrittsraums verantwortlich. Der Mietende ist z.B. für die Abstandswahrung zwischen den Nutzer*innen des Raums zuständig.

Dr. Kiyomi v. Frankenberg,
BDLO – Bundesverband Amateurmusik Sinfonie- und Kammerorchester e.V.
Erstellt: Feburar 2021
Zuletzt bearbeitet: Mai 2023



Fußnoten

[1] Hartwig Sprau in: Palandt Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 77. Aufl. 2018, § 823 Rn. 45 ff.

[2] Jürgen Ellenberger in: Palandt Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 77. Aufl. 2018,  §§ 31a, 31b. Deutscher Bundestag Drucksache 17/11316, Entwurf zum Gemeinnützigkeitsentbürokratisierungsgesetz, S. 16 f.